Die Begnadigung
sich geweigert hatte, geheime Informationen preiszugeben, die seiner Meinung nach lediglich für politische Zwecke verwendet werden sollten. Es gab keinen Rücktritt und kein »gegenseitiges Einvernehmen«. Das Ganze war ein handfester Rausschmiss gewesen. Die zweite Bombe setzte die interessierte Öffentlichkeit darüber in Kenntnis, dass der Versuch des Präsidenten, sich die Geheiminformationen zu verschaffen, in direktem Zusammenhang mit neuen Ermittlungen des FBI zu gekauften Straferlassen stand. Der Skandal war lediglich ein dumpfes Grollen am Horizont gewesen, bis Sandberg die Tür geöffnet hatte. Sein Artikel brachte den Verkehr auf der Arlington Memorial Bridge praktisch zum Erliegen.
Während sich Sandberg in der Redaktion herumdrückte und seinen Triumph genoss, klingelte sein Mobiltelefon. Es war ein sehr kurz angebundener Rusty Lowell. »Rufen Sie mich auf einer Festnetzleitung an, und zwar schnell.« Sandberg ging in ein kleines Büro, wo er ungestört war, und wählte Lowells Nummer in Langley.
»Lucat ist gerade gefeuert worden«, sagte Lowell. »Er hat sich heute Morgen um acht mit dem Präsidenten im Oval Office getroffen. Der Präsident hat ihn gebeten, als Interimsdirektor zur Verfügung zu stehen. Lucat hat Ja gesagt. Anschließend haben sie sich eine Stunde lang unterhalten. Der Präsident hat wegen Backman Druck gemacht. Lucat wollte nicht nachgeben. Er hat sich feuern lassen, genau wie Maynard.«
»Aber er ist doch schon seit einhundert Jahren bei der CIA.«
»Achtunddreißig, um genau zu sein. Einer unserer besten Männer. Ein großartiger Abteilungsleiter.«
»Wer ist als Nächster dran?«
»Gute Frage. Wir zucken alle zusammen, wenn es an der Tür klopft.«
»Und wer leitet jetzt die Organisation?«
»Kennen Sie Susan Penn?«
»Nein. Ich weiß, wer sie ist, aber ich kenne sie nicht persönlich.«
»Vizedirektorin und Leiterin der Abteilung Wissenschaft und Technologie. Maynard gegenüber sehr loyal, so wie wir alle, aber eine Kämpfernatur. Sie sitzt gerade im Oval Office. Wenn man ihr den Posten als Interimsdirektorin anbietet, wird sie ihn nehmen. Und sie wird Backman dafür hergeben.«
»Er ist der Präsident. Er hat ein Recht darauf, alles zu wissen.«
»Natürlich. Außerdem geht es ums Prinzip. Ich kann ihm eigentlich keinen Vorwurf machen. Er hat gerade angefangen und lässt ein wenig die Muskeln spielen. Sieht ganz so aus, als würde er uns alle feuern, bis er bekommt, was er haben will. Ich habe Susan Penn geraten, das Angebot anzunehmen, um dem Gemetzel ein Ende zu machen.«
»Dann dürfte das FBI also sehr bald wissen, wo Backman sich aufhält?«
»Ich gehe davon aus, dass sie es heute noch erfahren. Allerdings bin ich mir nicht sicher, was sie tun werden, wenn sie wissen, wo er ist. Von einer Anklage sind sie noch Wochen entfernt. Sie werden vermutlich nur unsere Operation gefährden.«
»Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht.«
»Jetzt zieren Sie sich doch nicht so, Lowell. Schließlich hat sich einiges geändert.«
»Die Antwort ist nein. Das ist mein letztes Wort. Über das Gemetzel werde ich Sie auf dem Laufenden halten.«
Eine Stunde später stellte sich der Pressesekretär des Weißen Hauses vor die Presse und gab die Ernennung von Susan Penn zur Interimsdirektorin der CIA bekannt. Er erwähnte mehr als nur einmal, dass sie als erste Frau auf diesen Posten berufen worden sei, was wieder einmal unter Beweis stelle, wie sehr sich der Präsident für die Gleichberechtigung einsetze.
Luigi saß allein und fertig angezogen auf dem Bettrand und wartete auf das Signal von nebenan. Es kam vierzehn Minuten nach sechs – Marco wurde immer mehr zum Gewohnheitstier. Luigi lief in den Kontrollraum und drückte auf einen Knopf, um den Summer abzustellen, der meldete, dass Marco aus seiner Wohnung gegangen war. Ein Computer zeichnete die genaue Uhrzeit auf, und innerhalb weniger Sekunden würde jemand in Langley wissen, dass Marco Lazzeri um genau 6.14 Uhr das sichere Haus in der Via Fondazza verlassen hatte.
Luigi war ihm schon seit ein paar Tagen nicht mehr nachgegangen. Simona hatte bei ihm übernachtet. Er wartete einige Sekunden, schlüpfte durch die Hintertür seiner Wohnung und nahm eine Abkürzung durch eine schmale Gasse. Als er durch die Schatten der Arkaden spähte, sah er Marco links von sich. Er ging in Richtung Süden, wie immer in einem flotten Tempo, das immer schneller wurde, je länger er in Bologna war. Er war mindestens zwanzig Jahre älter als
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