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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Weltgesundheitsorganisation mit Doktor E. und C. Fahrensteiner errechnet hat! Aber diese Krebskranken sterben auf wissenschaftlicher Basis … es ist nicht schlimm, wenn jährlich auf der Welt schätzungsweise zwei Millionen an Krebs sterben … aber es ist ein Verbrechen, wenn einhundertneununddreißig Unheilbare in einem Krankenhaus sterben, das anders behandelt als die anderen Kliniken! Daß bei mir die dreiundzwanzig trotzdem nicht gestorben sind, liegt natürlich daran, daß es sich in diesen Fällen um kein echtes Karzinom gehandelt hat, ich weiß, ich weiß … denn ein echter Krebs ist in diesem Stadium, wie wir ihn eingeliefert bekommen, nicht mehr heilbar, sagt die Schulmedizin … und alle, alle glauben es! Auch Sie, Wüllner … und von Ihnen hätte ich es am wenigsten gedacht!«
    »Reden konnten Sie schon immer gut!« Wüllner war rot geworden. Es sollte Hansen nicht gelingen, ihn zum zweitenmal einzuwickeln. Er dachte an Marianne, die hilflos auf ihrem Zimmer lag, er dachte an die Worte Runkels, daß vor einem halben Jahr durchaus nicht alles hoffnungslos gewesen sei … und er verlor die Beherrschung.
    »Sie haben eine Operation verhindert!« schrie er. »Sie haben die einzige Chance der Rettung verweigert!«
    »Es war sinnlos, Wüllner!«
    »Wollen Sie mehr können als Runkel?« Und jetzt schien er wirklich von allen guten Geistern verlassen. »Sie Gernegroß!« brüllte er. »Ein Irrer sind Sie! Ein Verrückter! Ein Mörder! Einsperren sollte man Sie! Ja, Sie sind ein Mörder!«
    Dr. Hansen sah Wüllner besorgt an. Er sah seine flackernden Augen, das verzerrte Gesicht, die zitternden Hände, den sich wie in Krämpfen windenden Körper. Dann wandte er sich ab und ging schnell den Gang hinunter in sein Zimmer.
    Dr. Summring und Dr. Adenberg traten an Wüllner heran. Wottke riß die große Glastür auf.
    »Gehen Sie, Wüllner!« sagte Dr. Summring leise. »Sie sind das erbärmlichste Schwein, das ich erlebt habe!«
    »Seid ihr denn alle blind?« brüllte Wüllner. Er riß sich los, als Summring ihn am Mantelaufschlag packte. »Seht ihr denn nicht, welche Idiotie hier als Therapie ausgegeben wird? Wie man den Kranken das Geld aus der Tasche holt? Seht ihr denn das nicht? Ihr habt den bestbezahlten Mörder vor euch …«
    Dr. Adenberg konnte nicht mehr anders: Klatschend schlug er mit der flachen Hand in das Gesicht Wüllners. Einmal, zweimal, dreimal … bis Dr. Summring seine Hand festhielt.
    Die Schläge ernüchterten Wüllner. Seine Schimpfkanonade brach jäh ab: er stieß sich von der Wand ab und eilte mit langen Schritten, vorbei an Wottke, dem Ausgang zu. Draußen auf der Treppe blieb er stehen. Es regnete in Strömen … Ehe er es recht wahrnahm, hatte Wottke die Tür zugeworfen.

Dr. Färber saß im Ärztekasino der Universitätsklinik, aß ein Schnitzel Holstein und trank ein Glas schwarzen Johannisbeersaft, was seine Kollegen mit miesen Kommentaren bedachten, als die Bedienung ihn hinausbat.
    »Ein Herr möchte Sie sprechen, Herr Dozent. Er steht draußen im Flur.«
    »Jetzt? Mich? Er soll zur Aufnahme gehen, zum diensttuenden Arzt.«
    »Es ist privat, sagt er.«
    »Dr. Hansen?« Färber sprang auf. Die Bedienung hob die Schultern.
    »Er hat seinen Namen nicht genannt.«
    »Danke. Ich komme sofort.« Färber wischte sich den Mund mit der Papierserviette ab, trank noch schnell einen Schluck Saft und eilte dann hinaus.
    Im Flur stand Dr. Wüllner. Verblüfft blieb Färber an der Tür des Kasinos stehen.
    »Sie?«
    »Ich bin weg von Hansen.« Die Stimme Wüllners war wie abgestorben. »Ich möchte Sie bitten, Herr Dozent, bei Herrn Professor Runkel für mich ein Wort einzulegen …«
    »Sie wollen zu uns?« Färber stellte zur eigenen Verwunderung fest, daß er ganz Abwehr war. »Ich glaube kaum, daß wir hier eine vakante Stelle haben. Die Abteilungen sind voll besetzt und …« Er musterte Dr. Wüllner, und die innere Abwehr wurde stärker. Wurde zu einer Antipathie, gegen die er machtlos war. Er hatte Hansen verraten, dachte Färber. Eigentlich sollte man sich darüber freuen. Die Rückkehr eines verlorenen Sohnes, so würde es Runkel nennen.
    »Sprechen Sie doch mit dem Chef selbst, Herr Wüllner«, sagte er steif. »Ich kann mich nicht für Sie verwenden … Sie werden verstehen, daß ich, gerade ich, alle persönlichen Gründe nicht ausspielen möchte. Es wäre fatal! Ich bedaure …«
    Er nickte und ging zurück ins Kasino. Wüllner spürte die Abwehr. Er fühlte sich gedemütigt.

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