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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erfolgreich war, daß man seinen Wohnort Bockfließ, zwanzig Kilometer vor Wien, das ›Mekka der Krebskranken‹ nannte, einen Professor überzeugte und dieser sein Krankenhaus für Krebsbehandlungen Salzborns zur Verfügung stellte, erhielt dieser angesehene Professor von der Ärztekammer ein scharfes Schreiben, in dem hingewiesen wurde, daß es unstatthaft sei, in einer anerkannten Klinik nach den ›unwissenschaftlichen Methoden‹ Salzborns zu arbeiten! Und das, obwohl man wußte, daß Salzborn in hunderten aussichtsloser Fälle Erfolge gehabt hatte!«
    Dr. Barthels raffte die Papiere zusammen, steckte die Akte Peter Paulus in seine Mappe und schloß sie mit einem Ruck.
    »Ich werde das alles nachprüfen. Genau nachprüfen!« sagte er fast müde. Da stürzten Probleme auf ihn ein, von denen er nie etwas geahnt hatte. Er glaubte, einen glatten Fall zu haben … und er stand vor einem Gebirge von Haß, Neid, Mißgunst, kommerzieller Verquickung und unübersehbarer medizinischer Konsequenzen …
    Ich werde mit Runkel sprechen, dachte er. Ich muß ihn sprechen. Das ist ja schrecklich.
    Er verbeugte sich knapp und verließ das Chefzimmer.
    Die Patientin lag bereits festgeschnallt auf dem Tisch, sie war narkotisiert, der Leib war abgedeckt bis auf den weißgelben Hautflecken, über den das Skalpell Runkels gleiten sollte. Der Anästhesist kontrollierte die Atmung und gab etwas mehr Lachgas-Sauerstoffgemisch. Die OP-Oberschwester kontrollierte noch einmal die Instrumente auf dem Instrumententisch.
    Im Nebenraum wusch sich Runkel die Hände und Unterarme. Mit einem unguten Gefühl beobachtete er, wie Dozent Dr. Färber vor dem Röntgenlichtkasten stand und die Platten der schon narkotisierten Patientin studierte. Es war ein ›Chef-Fall‹. Runkel hatte die Untersuchungen selbst vorgenommen, allein die Diagnose gestellt, die Patientin auf seiner feudalen Privatstation auf die Operation vorbereitet. Erst jetzt, wenige Minuten vor dem Eingriff, stellte er Färber die Patientin vor und bat ihn, sich ein Bild über die Operation zu machen.
    Färber sah nachdenklich auf die Röntgenbilder. Runkel hatte eine Ovanektomie angesetzt. Das Uteruskarzinom war schon weit fortgeschritten … Verschattungen im Becken ließen Metastasen vermuten. Färber ahnte, was man vorfinden würde, wenn man den Leib öffnete.
    Runkel unterbrach seine Waschungen. »Was haben Sie, Färber?« rief er vom Waschbecken her.
    Färber drehte den Kopf zu Runkel. »Ich verstehe nicht, warum wir hier einen Eingriff machen …«
    »Aber Sie sehen doch, daß …«
    »Ich sehe, daß dieser Fall inoperabel ist. Wir machen eine Ovariektomie … gut, was haben wir damit gewonnen? Nichts … wir schwächen die Patientin unnötig, und überall, wo wir nicht hinkommen, wächst der Krebs weiter. Ohne Operation ist ihre Lebenserwartung genau so lange …«
    »Unsinn!« Runkel spülte sich die Unterarme ab. Die Patientin war die Gattin eines Fabrikanten. »Versuchen Sie alles, Herr Professor!« hatte der Mann gesagt. »Geld spielt keine Rolle …« Und Runkel hatte sich entschlossen, die Operation durchzuführen und mindestens dreitausend Mark dafür zu liquidieren. Daß die Patientin kaum zu retten war, wußte er so gut wie Färber … aber warum soll man nicht operieren, wenn es allen das Gefühl schenkte, hier wurde wirklich etwas getan. Nicht mit Sauermilch und Leinsamenaufgüssen, sondern mit dem Wunder des chirurgischen Messers …
    »Diese Operation nutzt keinem!« sagte Färber laut und beschrieb mit seinem Zeigefinger einen Kreis um die Röntgenplatten. »Ich vermute sogar, daß die Gewebe so morsch sind, daß keine Naht mehr hält! Was dann?«
    »Was dann? Was dann? Überlassen Sie das mir, wenn Sie es nicht wissen! Sie sollen ja auch nur assistieren!« Runkel hielt die Hände unter die Heißlufttrockenanlage. »Wenn Sie einmal selbst Chef sind, steht Ihnen ein endgültiges Urteil zu. Sind Sie fertig?«
    »Nein.« Färber knipste das Licht im Lichtkasten aus. »Ich möchte Sie bitten, Herr Professor, den Zweiten Oberarzt hinzuzuziehen.«
    Runkel fuhr herum. »Was fällt Ihnen ein, Färber? Steigt Ihnen die Karriere in den Kopf? Noch kann man Sie abbremsen! Sie assistieren! Schluß!«
    »Nicht hier, Herr Professor.« Färber holte tief Atem. Er dachte an die Worte Hertas: Bekenne dich zu dem, was du für richtig hältst.
    Runkel wollte heftig werden. Doch dann sagte er nur spöttisch:
    »Gut denn … wenn es Ihre neuartige Moral, die man vielleicht die

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