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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hansen ist verrückt, das ist es, dachte Runkel. Wie kann man mit Diätkost einen Bronchialtumor auflösen!
    Dr. Barthels legte die Röntgenplatten auf den Tisch. Sie trugen jetzt eine Aktennummer der Staatsanwaltschaft.
    »Ich möchte, daß Sie in Ihrem Röntgeninstitut ein Gutachten abgeben. Es wird Ihnen nicht schwer fallen, durch Bildvergleiche festzustellen, daß hier bei den letzten Platten eine Unterschiebung stattgefunden hat! Ihr Gutachten wird nicht zu bezweifeln sein …«
    Runkel sah mißmutig auf die dunklen Filme. »Legen Sie sie bitte Professor Lücknath vor, Herr Oberstaatsanwalt«, sagte er langsam. »Lücknath ist Röntgenologe. Er ist der Fachmann! Ich bin Chirurg. Haben Sie die Leiche beschlagnahmt?«
    »Natürlich.«
    »Dann bringen Sie die zu Professor Bongratzius. Das ist der Pathologe. Sie haben dann zwei Fachgutachten.«
    Oberstaatsanwalt Dr. Barthels notierte sich die Namen. »Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, Herr Professor. Aber da sind noch einige andere Fragen aufgetaucht. Fragen grundsätzlicher Natur. Stimmt es, daß die Schulmedizin die sogenannten Außenseitertherapien der – sagen wir – ›ausgebrochenen‹ Ärzte nicht bloß ignoriert, sondern sogar bekämpft und mit allen Mitteln kaltstellt?«
    Runkel sah an die Decke seines Zimmers. Sein durchgeistigtes Gesicht war spitz. »Ja …«, sagte er laut.
    »Und warum?«
    »Wenn zweitausend Jahre lang ein Fluß einen Berg hinabströmt darf er nicht plötzlich den Berg hinauffließen. Jeder würde das verhindern … der Mensch ist nun eben 'mal so …«
    »Das ist ja furchtbar!« sagte Dr. Barthels erschüttert.
    »Was? Daß wir auf Reinheit der Wissenschaft halten?« Professor Runkel legte die Hände flach aneinander. »Wenn plötzlich ein Jemand, ein Unbekannter, ein kleiner Referendar etwa, zu Ihnen käme und Ihnen sagen würde: Das Gesetzbuch ist falsch! Ich habe eine andere Ansicht über das Strafmaß und das gesamte Gesetz … Was würden Sie da antworten?«
    »So etwas gibt es bei uns nicht!« sagte Dr. Barthels steif.
    »Sehen Sie! Sie sind ein Glücklicher! Aber in der Medizin glaubt jeder, der einmal mit Kamillentee einen Furunkel geheilt hat, er sei ein Genie und könne die Menschheit retten! Und jeder Laborant, der im Erlemeierkolben etwas brodeln sieht, fühlt sich berufen, eine neue Arznei herauszubringen! Nirgendwo, in keinem Beruf, wird soviel Unfug getrieben, fühlen sich so viele Unberufene berufen wie gerade in der Medizin! In der ernstesten und verantwortungsvollsten Wissenschaft … denn immer geht es um ein Leben!« Runkel sah Oberstaatsanwalt Dr. Barthels über den Goldrand seiner Brille an. »Darum unsere Animosität gegen Doktor Hansen! Darum unsere Aufklärungsarbeit: Geht zu einem Arzt, der euch mit den einzig erfolgreichen und erprobten Mitteln behandelt: Mit dem Messer und dem Strahl!«
    »Und trotzdem achtzig Prozent Tote!«
    »Aber zwanzig Prozent Geheilte oder Gebesserte! Ist das nichts, Herr Oberstaatsanwalt! Zwanzig Prozent! Wenn dieser Hansen nur annähernd diese Quote erreicht, sollte man ihm ein Denkmal setzen und ihn für den Nobelpreis vorschlagen!«
    »Angeblich hat er bis jetzt zwölf Heilungen!«
    »Gut, daß Sie angeblich sagen! Man müßte nachforschen, ob es echte Heilungen sind und ob es sich überhaupt um wirkliche Karzinome gehandelt hat! Es gibt Remissionen, die an Wunder grenzen … aber das sind Seltenheiten. Eins zu Hunderttausend! Nach der Schulansicht ist ein inoperabler Krebs unheilbar! Wenn Hansen mir etwas anderes beweisen kann, beweisen, Herr Oberstaatsanwalt, will ich gerne zu ihm gehen und zu ihm sagen: Lieber Kollege, ich habe mich geirrt! Aber er kann es nicht beweisen! Er ist Optimist – aber das ist kein Heilmittel. Er ist Hypothetiker – aber das ist keine exakte Therapie! Man kann durch Handauflegen einem Kranken zwar suggerieren, er habe weniger Schmerzen … aber ein Tumor tut nicht den Gefallen, schaudert zusammen und fällt auseinander! Das ist lächerlich!«
    »Das werden Sie bei einem möglichen Prozeß auch aussagen?«
    »Nein!«
    Dr. Barthels stand abrupt auf. »Ich verstehe Sie nicht, Herr Professor!«
    »Das bedauere ich sehr.« Runkel erhob sich gleichfalls. Er dachte an die Worte Dr. Färbers und sein Versprechen. Er hatte Mißtrauen in das Herz Dr. Barthels gepflanzt, er hatte deutlich die Meinung der Schulmedizin analysiert … mehr zu tun, war er nicht bereit. Es war nicht nötig, gegen Hansen aufzutreten … Hansen richtete sich selbst zugrunde.

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