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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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plötzlich vor der Tür stand und seine Koffer ausladen ließ, mimte er eine Weile wieder den sieggewohnten Weltmann.
    »Sollte heute nicht der Zahnarzt kommen? Ich passe genau auf, ob auch alles mit mir gemacht wird. Ich hake alles in dem Artikel ab …«
    Er lachte wieder. Schallend, kräftig, scheinbar strotzend vor Gesundheit.
    Hansen sah ihnen vom Fenster des OPs entgegen. Hinter ihm stand der Zahnarzt. Er schüttelte den Kopf.
    »Und der Mann ist ein hoffnungsloser Fall?«
    »Ja. Und er weiß es sogar.«
    »Und Sie glauben wirklich, daß Sie etwas erreichen können?«
    »Wenn wir diesen Glauben aufgäben, ginge die Menschheit unter. Wie sagte unser Kollege Kretz: ›Die schlimmste Belastung für den Krebskranken ist der pessimistische Arzt …‹«
    »Aber das sind wir doch heute alle gegenüber dem Krebs!«
    »Eben!« Jens Hansen trat vom Fenster weg und ging zur Tür, um Svensson entgegenzukommen. »Darum stirbt auch heute jeder fünfte Mensch an Krebs –«
    Es war ein Zufall, daß Oberarzt Färber vor einem plötzlichen Regenschauer in ein Café flüchtete und dort Dr. Hansen traf, der ebenfalls vor dem Guß Schutz gesucht hatte. Hansen, der mit seiner Vier-Betten-Klink in einem Provinznest saß und sich in der Hauptsache von seiner Landpraxis ernährte, kam eigentlich nur dann in die Stadt und in die Gegend des Klinikviertels, wenn er für seine Klinik etwas brauchte.
    »Sieh an!« sagte Dr. Färber. Er überwand die Vorbehalte, die ihn innerlich von Hansen trennten und setzte sich zu ihm. Die Frage Professor Runkels, was ›dieser Hansen‹ mache, konnte jetzt beantwortet werden. »Man hört gar nichts mehr von Ihnen, Herr Kollege. Haben Sie alle in Ihrem Umkreis gesund gemacht? Das wäre ein Fehler, denn ein Arzt will ja auch leben.« Er war die Fröhlichkeit selbst. »Was uns fehlt, ist eine richtige, kleine Grippe-Epidemie, was? Scheint so, als käme solch ein Wetterchen.«
    Hansen schob leicht die Unterlippe vor. Du wirst gleich weniger burschikos sein, wenn du erfährst, was bei mir los ist, dachte er. Er freute sich über das Gesicht, das Färber bei dieser Mitteilung machen würde.
    »Ich habe seit einem Monat einen neuen Patienten bei mir.«
    Dr. Hubert Färber zog die Brauen hoch. »In Ihrer Klinik?« Wieder genoß er den Ausdruck Klinik. Es klang, als lutsche er einen fettigen Bonbon.
    »Ja.«
    »Wie ich Sie kenne: Unheilbar.«
    »Allerdings. Die heilbaren Fälle überlasse ich Ihnen für Ihre glorreiche Statistik.«
    »Zweifeln Sie die an?«
    »Wollen wir uns schon wieder streiten?« Hansen nippte an seinem Mineralwasser. Dr. Färber spürte, wie er einen roten Kopf bekam. Beherrschung, suggerierte er sich, Ruhe.
    »Worum handelt es sich bei Ihrem neuen Patienten?«
    »Um ein ausgewachsenes Magenkarzinom. Die Diagnose und die Feststellung, daß eine Therapie sinnlos ist, sind einmalig klar. Ich danke Ihnen übrigens nachträglich für die genauen Untersuchungen.«
    »Mir!« In Dr. Färber stieg ein peinlicher Verdacht auf. Er spürte, wie sein Atem schneller wurde.
    »Ihnen und Professor Runkel. Nachdem er bei Ihnen als inoperabel entlassen wurde, kam Herr Svensson zu mir.«
    »Svensson, aus Dänemark –«
    »Sie erinnern sich?«
    »Er ist ein Operationsverweigerer!« Der Oberarzt ereiferte sich: »Es ist Ihre Pflicht, auf ihn einzuwirken, daß er sich …«
    »Haben Sie das nicht drei Stunden lang getan? Herr Svensson hat dabei auf die Uhr gesehen. Außerdem hätte er von Professor Runkel verlangt, ihm die Garantie zu geben, daß die Operation erfolgreich verläuft.«
    »Verrückt! Doch nie bei einer totalen Entfernung des Magens. Das wissen Sie doch selbst!«
    »Eben. Weil ich es weiß, kann ich Herrn Svensson nicht mit gutem Gewissen einreden, daß eine Operation sein Leben verlängern könnte! Man kann es höchstens verkürzen.«
    »Bitte, unterlassen Sie diese Unterstellungen!« Dr. Färber trank seinen Kaffee und stand auf. »Wissen Sie, daß Sie sich mit diesem Dänen ein Kuckucksei in Ihr Nest gelegt haben? Ich warne Sie, Herr Hansen! Wir könnten im Notfall beweisen, daß Herr Svensson doch noch operabel war! Überlegen Sie sich das.«
    Der Winter kam. Tagelang schneite es. Dann klirrte der Frost in den Wäldern. Björn Svensson schnallte sich die Skier unter und fuhr spazieren.
    Nach anfänglicher Verschlechterung durch die Umstellung der Ernährung fühlte er sich stark genug, bis zum Rundsee zu laufen. Nach diesen Ausflügen war er immer sehr erschöpft und mußte sich ins Bett

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