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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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für 70 Krankenbetten, zwei OPs, eine eigene Zahnstation, ein großes Laboratorium. Zwanzig Schwestern- und Arztwohnungen entstanden in einem Nebenhaus, Luftmatratzen, Liegestühle, Sonnenschirme, Gartenstühle und Tische wurden ausgeladen. Die Anstreicherkolonnen zogen bis auf eine Nachhut ab.
    Björn Svensson war aus Kopenhagen gekommen. Er wohnte in einem der halbfertigen Zimmer und sah den Handwerkern auf die Finger.
    Die Röntgenkontrollaufnahmen, die er nach einem halben Jahr hatte anfertigen lassen, waren zufriedenstellend. Keine Metastasen, keine neue Tumorbildung.
    Svensson war der glücklichste Mensch. Er kam sich so vor. Gegen den Willen seiner Verwandtschaft, die mit seinem frühen Krebstod fest gerechnet und bereits über das hinterlassene Vermögen disponiert hatte, zog er noch einmal zweihunderttausend Mark ab, um die modernste Röntgeneinrichtung zu kaufen, die es gegenwärtig auf dem Markt gab.
    Im gleichen Rhythmus, in dem der Bau vollendet wurde, brach die alte Praxis Dr. Hansens zusammen. Immer mehr Patienten zogen es vor, zu Fachärzten zu gehen, wenn sie auch noch so umständlich zu erreichen waren. Oder sie fuhren gleich in die Stadt. Nur in ganz dringenden Fällen holte man noch Dr. Hansen.
    Der einzige Halt in dieser Krisenzeit blieb Björn Svensson. Er sprach Hansen Mut zu, er überwachte das Geschäftliche, er half immer wieder mit neuen Zuschüssen aus, wenn Hansens Rechnung nicht aufging. Hansen konnte zuletzt nur noch an den Tag denken, an dem endlich die ersten Patienten einziehen und allem Warten, aller Ungewißheit, allem Zweifel am Gelingen ein Ende machen werden …
    Im Spätherbst, kurz vor der Fertigstellung der Klinik, rief Professor Runkel seinen Oberarzt Dr. Färber zu sich. Der Ordinarius hatte einen Stapel Bilder auf seinem Tisch liegen. Fotos von Hansens Klinik.
    »Unser Don Quichotte baut sich seine Windmühlen selbst«, sagte Runkel und betrachtete die Aufnahmen mit sichtlicher Freude. »Daß es immer wieder Menschen geben muß, die sich selbst zum Gespött machen. Fahren Sie mal hin, Herr Färber, und sehen Sie sich die Klinik an. Vielleicht kann man sie später einmal – wenn dieser Hansen pleite ist – als Kurheim erwerben.«
    Dr. Färber verließ Runkel in bester Stimmung. Die Gedanken des Professors lagen offen da wie ein aufgeschlagenes Buch. Svensson und Hansen bauten ihr großes Haus, um daran zugrunde zu gehen. Hansen baute sich selbst ein Mausoleum, in dem er sich und seinen Idealismus zu Grabe tragen würde. Und Runkel würde die Konkursmasse für ein Spottgeld an sich bringen …
    Färber parkte seinen Wagen in einiger Entfernung von der Baustelle und nahm den Weg am Seeufer entlang. Am neuen Bootshaus vergaß er auf einmal weiterzugehen, so großartig und eindrucksvoll lag der Komplex der Klinik vor ihm. Er spürte etwas Achtung, ehrliche Achtung vor dem Mut dieses Hansen. Und dann empfand er plötzlich Mitleid, regelrechtes Mitleid.
    Mit dem Rücken an das Bootshaus gelehnt, stand Hubert Färber da und versuchte, sich nun die Einzelheiten der Anlage einzuprägen: Das weiße Bettenhaus mit den vielen kleinen Balkonen nach Süden. Die Liegeterrassen. Den Behandlungsflügel mit den beiden OPs hinter großen Mattglasfenstern. Das Ärzte- und Schwesternhaus. Mitten unter den Arbeitern aber entdeckte er Björn Svensson in einer kalkbespritzten Hose und einem schmutzigen Pullover. Der Däne lebte also immer noch. Färber konnte nur den Kopf darüber schütteln …
    »Gefällt Ihnen etwas nicht?!« hörte er eine Stimme hinter sich.
    Oberarzt Färber fuhr herum. Da stand Karin Hansen. Er hatte sie überhaupt nicht kommen hören. Karin streckte ihm die Hand entgegen. »Sie, Herr Dr. Färber? Bei uns …«
    »Gnädige Frau!« Diese überraschende Begegnung verschlug Färber einen Moment die Sprache. Und die Erklärung dafür, daß er hier war, fiel auch nicht sehr elegant aus. »Da Ihr Gatte, gnädige Frau, mit Mitteln der Schäfer- und Kräuterweiber Krebs kurieren will, wollte ich nur mal nachsehen, ob denn, wenn schon keine Patienten, wenigstens die Schäfer- und Kräuterweiber schon eingetroffen sind …«
    Karin sah ihn erstaunt an.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte Färber. »Es gehört nun einmal zu meinem Beruf, zynisch zu sein.«
    »Warum reden Sie so? Muß ich Ihnen erst sagen, was Sie sind, Herr Färber …?«
    »Bestimmt nicht das, was Sie vermuten. Ich bin, wie ich bin: ein Techniker. Mich interessiert nur das Skalpell. Ein Körper, der vor mir

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