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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihrer Unwissenheit in Panik jagen, das ist so gemein, so hundsgemein …«
    Er ließ sich nach hinten auf das Bett fallen, schloß die Augen.
    Karin deckte ihn zu, wie er war, halb angezogen. Er schlief bereits vor Erschöpfung. Ganz sacht streichelte sie ihm über die Haare.
    Dann ging sie leise um die Betten herum und streifte ihren Morgenmantel ab. Sie war müde und zerschlagen wie Jens. Ehe sie sich niederlegte, machte sie jedoch noch das Fenster weit auf. Die kühle Nachtluft drang durch das dünne Nachthemd. Plötzlich war sie wieder hellwach. Und erneut befiel sie diese unerklärliche Angst.
    Hatte das alles einen Sinn, was Jens plante – was sie beide erwartete? Dieses Aufreiben, dieser Kampf gegen das Dunkel, diese völlige Aufgabe des Ichs … nur um zu versuchen, dem Tod noch einmal die Stirn zu bieten … Warum muß es gerade Jens sein, der ein Beispiel gibt und vielleicht daran zerbrechen wird … Könnte das Leben nicht so schön sein … Ein Haus, eine gute Praxis, keine Sorgen … und Kinder. O Gott … Kinder …
    Karin fror. Schritt für Schritt wich sie vom Fenster zurück. Sie durfte solche Gedanken nicht gedacht haben. Er hat nur noch mich. Wenn ich versage … was bleibt dann von Jens noch übrig …
    Am nächsten Nachmittag fuhr Hansen in die Stadt. Er wollte die Druckerei aufsuchen, die den Handzettel gedruckt hatte.
    Der Geschäftsführer bemerkte: »Der Druckauftrag erfolgte mit der Weisung, daß der Besteller ungenannt bleibt. Und ich kann diese Bedingung jetzt nicht einfach ignorieren. Sie verstehen …«
    Den ganzen Nachmittag fuhr Dr. Hansen seine Kollegen ab. Vor allem die Fachärzte. Er zeigte ihnen das Merkblatt, sie lasen es mit sichtlichem Interesse und zuckten die Schultern.
    »Zugegeben, es verstößt gegen unsere Standesehre, Werbung zu treiben. Aber es zeichnet keiner verantwortlich. Es kann sich nur um einen Scherz handeln.«
    »In einer Auflage von fünftausend?«
    »Haben Sie Feinde, Herr Kollege? Reiche Feinde?«
    »Ich kenne nur einen.« Dr. Hansen steckte den Handzettel wieder in die Tasche. Er war durch das viele Herumzeigen schon reichlich zerknittert und abgegriffen. »Aber ich kann mir nicht denken, daß er zu einer solchen Infamie fähig ist.«
    Als letzten Kollegen besuchte er Dr. Färber.
    Herta Färber öffnet ihm. »Herr Hansen!« Über ihr schmales, kühles Gesicht zog ein freudiger Schimmer. Sie trug ein eng anliegendes, hellrotes Kleid.
    »Ich möchte Ihren Gatten sprechen, gnädige Frau.«
    »Mein Mann ist in der Klinik. Runkel operiert so eine Thoraxsache. Ich kenne mich da nicht aus. Hubert erzählte etwas von einer Total-Entknochung. Gibt's das?«
    Hansen nickte. »Eine schwierige Operation. Ich beneide Ihren Gatten nicht darum.« Er klemmte seine Tasche, die er in der Hand gehalten hatte, unter den Arm. »Am besten komme ich später wieder. Vielleicht morgen …«
    »Aber warum? Kommen Sie doch herein.« Herta trat zur Seite, ließ Hansen in die Diele und nahm ihm die Aktentasche ab.
    »Whisky?« fragte sie. »Oder trinken Sie nur noch Milch?«
    »Ich passe mich immer den Hausgepflogenheiten an.«
    Sie führte ihn in Färbers Arbeitszimmer und forderte ihn auf, auf der großen Rundcouch Platz zu nehmen.
    Als Herta Färber hinausgegangen war, um Gläser und Eis zu holen, sprang er jedoch schnell wieder auf und trat an Färbers Arbeitstisch. Da lag die lederne Schreibmappe, die ihn bei Betreten des Zimmers sofort magisch angezogen hatte. Er klappte sie auf und entdeckte gleich obenauf den Handzettel. Hansen nahm ihn heraus, schlug den Deckel zu und legte das Blatt auf die Mappe. Dann ging er hastig an seinen Platz zurück. Er hatte das Gefühl, an der richtigen Stelle zu sein. Und dieses Gefühl war plötzlich schmerzhaft …
    Herta Färber setzte sich neben ihn auf die Lehne der Couch. Sie balancierte ihr Whiskyglas auf ihrem Oberschenkel. Es war unvermeidbar, daß Hansen öfter hinblickte, aus Angst, das Glas könnte abrutschen.
    »Wollen Sie sich mit meinem Mann wieder streiten?« fragte sie. Aber es klang so, als fragte sie: Bin ich nicht hübsch? Und müssen wir uns über Medizin unterhalten, jetzt, solange wir allein sind?
    Hansen sah wieder auf das leicht schwankende Glas. »Es ist schade, daß jede Begegnung mit Ihrem Gatten abrupt enden muß. Wenn man nur ein wenig tolerant sein könnte …«
    »Nehmen Sie mit der Toleranz seiner Frau vorlieb.« Herta Färber beugte sich zu Hansen herunter. Auch er bekommt schon weiße Fäden in sein dunkles Haar,

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