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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kind kriegen.
    Die Kostümproben mit Herrn Vindrich dauerten immer besonders lange. Wottke rannte dann wie ein echter gereizter Löwe herum und stürmte ins Zimmer, kaum daß ›Androklus‹ das Atelier verlassen hatte.
    »Det geht zu weit!« rief er. »Wat probiert der seine Lumpen stundenlang an?«
    »Auch Lumpen müssen richtig sitzen.« Frau Wottke saß über der Nähmaschine und ließ die Nadel rattern. »Und wenn einer ein so stattlicher Herr ist …«
    »Stattlicher Herr!« Wottke wurde tief rot im Gesicht. »Krebskrank ist er – sonst nichts!« schrie er.
    »Du bist gemein, Franz. So gemein! Ich hätte das nicht gedacht.«
    »Schöne Augen macht er dir. Gestern hat er gesagt: Ihr Haar ist wie Seide! Hat er's gesagt oder nicht?«
    »Ja …«
    »Wenn einer feststellt, daß du Haare wie Seide hast, dann bin ick es! Ick ganz alleine! Dafür brauche ick keinen Fabrikanten! Lisbeth …« Wottke ballte die Fäuste … »ick spiel zwar nur 'n Löwen … aber wenn der so weitermacht, freß ick'n wirklich auf!«
    »Du bist verrückt, Franz.« Frau Wottke schnitt den Faden durch und betrachtete die Naht. »Eine Frau hat es gern, wenn man ihr so was sagt …«
    »Aber ick nich!« rief Wottke. »Ick kann et dir alleine sagen: Du hast Augen wie Veilchen, Haare wie 'ne Puppe, Lippen wie Rosenblätter, 'nen Hals wie 'n Schwan, Busen wie 'ne Venus …«
    »Hör auf!« Lisbeth Wottke lachte und warf Franz das Kostüm an den Kopf.
    »Bei dem anderen Affen haste nich gelacht!« Wottke riß das Kostüm von seinem Kopf und warf es in eine Ecke. Er war maßlos aufgebracht, und je mehr Lisbeth lachte, um so größer wurde sein Grimm. »Ick gehe mich beim Chef beschweren! Ick seh nich ein, daß ick meine Ehe der Klinik opfern soll …«
    »Geh hin zu deinem Chef und weine ein bißchen.« Frau Wottke schob ein neues Stoffstück in die Maschine. »Wie kann man nur so eifersüchtig sein …«
    Professor Runkel war es unangenehm, aber es ließ sich nicht länger vermeiden: Er ließ seinen Ersten Oberarzt dienstlich zu sich bestellen.
    »Doktor Färber sofort zum Chef!«
    Färber, der sich gerade im OP-Trakt aufhielt, nahm den Befehl gelassen hin. Er sah übernächtigt aus, bleich, wie innerlich zerstört von einer Frage, die ihm niemand beantworten konnte und die ihn auszehrte. Zwei Tage hatte er mit sich gerungen, ob er die Universitätsklinik verlassen sollte. Aber dann war er vor den Konsequenzen weich geworden. Mit der steilen Karriere, die ihm sicher war, wäre es Essig gewesen. Und alles, was er in seinem Leben getan hatte, war doch um dieser Karriere willen geschehen. Ruhm, Anerkennung, Reichtum – alles hing daran. Und darauf wollte er auf einmal verzichten? Und nur, weil er Operation und Bestrahlung allein für die Krebsbekämpfung nicht mehr für ausreichend hielt?
    Runkel erwartete seinen Ersten Oberarzt im Chefzimmer am Fenster stehend.
    »Herr Professor?«
    Runkel nickte.
    »Ich hatte eben einen unangenehmen Besuch«, sagte er langsam. »Professor Lücknath vom Strahlen-Institut … er war sehr aufgeregt … sehr konsterniert. Wissen Sie, was er zu mir gesagt hat? ›Wenn Sie keine Oberärzte finden … ich kann Ihnen einige empfehlen, die mit ihren Ansichten nicht im Mittelalter stehen.‹ Das sagte er. Ich war verblüfft, Herr Färber.«
    »Ich bin es nicht, Herr Professor.« Dr. Färber drückte das Kinn an den Kragenrand. Ihm wurde es heiß. »Ich habe mit Herrn Professor Lücknath eine Auseinandersetzung gehabt. Verzeihen Sie, daß ich es Ihnen bei meiner Rückkehr nicht gleich mitgeteilt habe. Ich habe mir erlaubt, etwas zu fragen, was ich an der Strahlenbehandlung unlogisch fand.«
    »Sie sollten nicht fragen, Färber, sondern besichtigen. Sie haben gefragt …«
    »… ob er seine eigene Frau mit Isotopen behandeln würde. Jawohl!«
    »Wie konnten Sie das, Färber!« Runkel stampfte auf.
    »Wie kann Professor Lücknath andere Frauen so behandeln, wenn er sich weigert, meine Frage bei seiner eigenen Frau zu beantworten!«
    »Hören Sie mal zu, Färber.« Professor Runkel kam in die Mitte des Zimmers und setzte sich hinter seinen großen Schreibtisch. Er legte die Hände zusammen und sah über die Fingerspitzen auf seinen Ersten Oberarzt. »Sie sind Chirurg.«
    Färber starrte auf Runkel. Jetzt stellt er mir eine Falle, dachte er. Und ich werde hineinstolpern, weil ich es mir ihm gegenüber nicht leisten kann, nicht hineinzustolpern.
    »Sie schneiden auf und nähen zu, Färber, dann sind Sie ein Meister! Was vor dem

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