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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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streckte sie die Arme in die Luft und sah aus dem Fenster. »Oh, verdammt«, murmelte sie schließlich, »wahrscheinlich bleibt mir nichts anderes übrig, als Ihre Entschuldigung anzunehmen.«
    »Oh«, seufzte er, »äußerst nobel von Ihnen.«
    »Schon gut.« Sie steckte den Finger ins Ohr, wackelte kräftig damit und sah ihn von der Seite an. »Übrigens glaube ich nicht, dass ich mich bei meinem Vorgesetzten in irgendeiner Form angebiedert habe. So einen Quatsch hätte ich von Ihnen eigentlich nicht erwartet.«
    »Schon gut – ich werd mir in Zukunft Mühe geben.«
    »Würde nicht schaden«, sagte sie und drehte sich mit dem Stuhl in seine Richtung. »Aber wie dem auch sei.« Sie fasste sich an den Bauch. »Ist Ihnen übrigens schon aufgefallen, dass ich abgenommen habe?« Sie sah ihn wild entschlossen an. »Und haben Sie nicht was von’ner Essenseinladung gesagt?«
    »Hab ich das?«
    »Ja, haben Sie. Sie haben behauptet, dass damals sämtliche Zeitungen über diesen Gordon Wardell berichtet haben. Und falls das nicht stimmt, haben Sie gesagt, wollten Sie mich zum Essen einladen.«
    »Ja – und hab ich vielleicht nicht Recht gehabt?«
    »Ist doch völlig egal. Immerhin bin ich Ihre Vorgesetzte.«
    »Dann hab ich also doch Recht gehabt.«
    »Kann schon sein.«
     
    »Eigentlich hatte ich ja gar keine andere Wahl, als Ihnen zu verzeihen, Jack, ich bin nämlich ohne Auto hier, Paulina ist mit dem BMW unterwegs.« Keiner von beiden verlor ein Wort über das Ziel ihres kleinen Ausflugs. Sie stiegen einfach in den Jaguar und fuhren völlig selbstverständlich Richtung Brixton, als ob eine magische Kraft sie gezwungen hätte, dem Lauf des einbetonierten Effra-Flusses zu folgen. In jenen Gegenden von Brixton, wo noch keine glitzernden Nachtclubs und Galerien das Bild bestimmten, wirkten die Viertel rechts und links der Straße auch weiterhin ziemlich bedrohlich und heruntergekommen. Hier gab es auf den Straßen noch abgehärmte Männer in schmuddeligen Trainingsanzügen und mit Strohhüten auf dem Kopf, die zu den Sternen oder den Straßenlampen hinaufblickten und wütende Tiraden zum Mond schrien. Hier lagen etliche Straßen im Dunkeln, weil durchgeknallte Jugendliche sich ein Vergnügen daraus machten, die Laternen aus halb verfallenen Häusern kaputtzuballern. Und die einzige Beleuchtung in den Läden waren violett strahlende Würfel, die die Süchtigen aus den Hauseingängen vertreiben sollten, da sie bei diesem Licht ihre Armvenen nicht erkennen konnten. In Zentralbrixton war das Nachtleben noch nicht erwacht – dazu war es noch zu früh: die Bug Bar, das Fridge und das Mass – alles tot. Caffery wusste natürlich, dass sich die Gegend erst gegen Mitternacht in Klein-Ibiza verwandeln und im totalen Verkehrchaos versinken würde, dass erst zu vorgerückter Stunde die leicht bekleideten Mädchen oben aus den Schiebedächern der Autos herausschauen und den übrigen Nachtschwärmern fröhlich zuwinken würden. Als sie in der Coldharbour Lane parkten, war Caffery froh, dass es dort wenigstens einigermaßen hell war.
    Er blieb an einem Geldautomaten stehen. »Ich hol mal schnell vierzig, fünfzig Piepen aus der Kiste.«
    »Dürfte nicht ganz reichen. Ich bin nämlich ziemlich anspruchsvoll, wissen Sie.« Souness stand, die Hände in den Taschen, da, drehte ihm den Rücken zu und versuchte, mit Blicken die Bettlerin in Schach zu halten, die mit einem kleinen Kind direkt neben dem Automaten hockte. Caffery überprüfte seinen Kontostand. Es war kein Zufall, dass er Tracey Lamb ausgerechnet drei Mille angeboten hatte. Denn er wusste natürlich, wie weit er sein Girokonto belasten konnte. Das Limit lag exakt bei dreitausend Pfund. Mein Gott, was man für dreitausend Piepen alles kaufen könnte. Immer wieder redete er sich ein: Die alte Kuh lügt ohnehin wie gedruckt. Trotzdem konnte er die lächerliche Stimme in sich nicht zum Schweigen bringen, die ihm immer wieder vorgaukelte: Und was, wenn sie … Ja, was, wenn sie doch …?
    »Okay.« Er schob das Geld in die Tasche, sah sich prüfend um, ob jemand ihn beobachtete, und nickte dann Richtung Coldharbour Lane. »Na, dann wollen wir mal.«
    Die Windrush -Passagiere, die früher mal die umliegenden Stra ßen bevölkert hatten, waren inzwischen aus dem Zentrum von Brixton verdrängt worden und hausten nun in den engen Gassen ein Stück abseits. Richtige schwarze Kneipen gab es fast keine mehr – nur ein paar Lokale, in denen man sonntagnachmittags junge Männer dabei

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