Die Behandlung: Roman (German Edition)
dass Scotland Yard sie schon länger suchte, und dieser Caffery hatte wahrscheinlich herausgefunden, dass die Bullen hinter ihr her waren, und wollte seinen Kollegen noch schnell zuvorkommen. Vielleicht war der Typ ja wirklich an Steven interessiert. Langsam fühlte sie sich wieder etwas besser. Vielleicht kannst du die drei Mille ja doch noch an Land ziehen, Tracey. Und so beschloss sie, ihn am folgenden Tag gleich nach der Kautionsverhandlung anzurufen und ihm ein bisschen auf den Zahn zu fühlen. Sie drückte die Zigarette im Waschbecken aus. Was immer Caffery auch im Schilde führte: Eines wusste sie genau: nämlich dass der Krüppel, der vor ihr auf allen vieren den Boden aufwischte, für ihn viel wichtiger war als dieser Perverse in Brixton – der Typ mit den krankhaften Fotos und diesem idiotischen Hygienewahn.
Die Barrakudas hießen zwar wie die berühmten kleinen Amazonasfische, aber sie waren keine richtigen Fische, denn richtige Fische wären in dem Chlorwasser sofort krepiert. »Das Wasser schmeckt so merkwürdig, weil es mit Chlor angereichert ist«, erzählte Gummer jedem Kind, das neu zu der Gruppe stieß. »Und das Chlor erfüllt einen ganz bestimmten Zweck. Es schützt uns vor Keimen und Krankheitserregern, die sich sonst in dem Wasser ausbreiten würden.«
Aber über die Bedeutung des Chlors brauchte er den Barrakudas nun wirklich nichts mehr zu erzählen – denn die Barrakudas wussten ohnehin schon viel zu viel. Sie befanden sich nämlich gerade in einem ziemlich gefährlichen Alter. In der Ausbildung erfuhren die künftigen Schwimmlehrer nicht nur, wie sie sich gegenüber den Kindern zu verhalten hatten, sie wurden auch über die Symptome aufgeklärt, an denen sich – mit hoher Wahrscheinlichkeit – erkennen ließ, ob ein Kind missbraucht wurde. Und Gummer wusste nur zu gut, dass es durchaus Leute gab, die durch Kinder in Badetextilien sexuell erregt wurden. Einmal war in dem Schwimmbad sogar ein Mann auf der Tribüne erschienen und hatte völlig ungeniert die Barrakudas fotografiert, die sich gerade im Wasser tummelten. Gummer hatte zwar darauf verzichtet, Alarm zu schlagen, aber er hatte am Beckenrand gestanden und dem Mann so lange warnend zugewinkt, bis der Spanner schließlich abgezogen war. Das war eine große Erleichterung für Gummer gewesen, denn er wollte nicht, dass die Polizei aufkreuzte und ihn nach dem Vorfall befragte und in ihm selbst die falschen Dinge wieder aufrührte. Ganz sicher hätte er seine Betroffenheit vor den Beamten nicht geheim halten können. Besser, wenn sie gar nicht erst zu fragen anfangen . Und so war der geheimnisvolle Mann unbehelligt davongekommen.
Fotografien …
Gummer, der in seinem T-Shirt und mit der Bademütze auf dem Kopf am Beckenrand stand, dachte an die Fotos, die er zu Hause hatte – ein neunjähriger schöner Junge, so schön . Er hatte sie in einem der rückwärtigen Schlafzimmer an die Wand gehängt. Niemand würde ihm deswegen Fragen stellen, denn kein Mensch würde sie je zu Gesicht bekommen, weil ihn nämlich nie jemand in seiner Wohnung besuchte, und das sollte auch so bleiben. Dann schweiften seine Gedanken ab, und plötzlich sah er im Geiste Rory Peach vor sich, den kleinen nackten Rory, der mit gekreuzten Armen an einen Heizkörper gefesselt war. Doch davon – von dem Heizkörper – war in den Zeitungen natürlich keine Rede gewesen, trotzdem wusste Gummer, dass es so gewesen war. Dann dachte er an Josh Church und an damals … Auch davon gab es eine Fotoserie. Wo mochten die Bilder jetzt sein? In irgendeiner Wohnung? An irgendeiner Wand? Er überlegte, ob die Polizei sie wohl finden würde.
»Schauen Sie mal – ich bin eine Nixe.«
Gummer erstarrte. Die Barrakudas – besonders die Mädchen – kamen ihm immer so nahe, dass ihm ganz mulmig wurde. Wenn eines der Kinder ihn berührte, bekam er sofort eine Gänsehaut.
»Können wir jetzt bitte spielen?« Vor ihm im flachen Wasser hüpften und kreischten die Kinder herum, ein oder zwei kletterten aus dem Becken, ein paar hingen am Rand und plantschten mit den Füßen im Wasser. »Wir möchten jetzt das Spiel spielen.«
»Nein, das lassen wir lieber.«
»Doch!« Unten im Becken breitete ein kleines Mädchen Arme und Beine aus. »Ich stelle mich breitbeinig ins Wasser, und dann müssen Sie durch meine Beine schwimmen.«
»Nein, so was machen wir hier nicht.« Jetzt stiegen immer mehr Kinder aus dem Becken, und er wurde zusehends nervöser. Es waren einfach zu viele, die
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