Die Behandlung: Roman (German Edition)
Beweismaterial verfügen?«
»Ja, wir haben einen genetischen Fingerabdruck, der beweist, dass dieser Scheiß-Peach seinen eigenen Sohn vergewaltigt hat.«
Ndizeye blinzelte hinter seinen Brillengläsern. »Aber wer, zum Teufel, hat den Jungen dann gebissen?«
»Wie bitte?«
»Ich hab gesagt: Wer – zum Teufel – hat Rory gebissen? War zwar derselbe Typ, der damals im Park diesen Jungen gebissen hat – aber Alek Peach war es auf keinen Fall.«
Ein merkwürdiger Sonnenuntergang – fast so, als ob die Erde seitlich weggekippt wäre und sich ein rosafarbenes Licht aus einer anderen Galaxie in die Sonnenwinde eingeschmuggelt hätte. Caffery fuhr langsam durch Brixton, betrachtete die Lichter in den Häusern und dachte nach. Schließlich parkte er in der Dulwich Road und ging durch den Park, während in den umliegenden Straßen der Wind irgendwelche Dinge vor sich her trieb.
Das Haus Nummer dreißig war von der Polizei bereits wieder freigegeben worden, deshalb hätte er genau genommen Carmel Peach um Erlaubnis fragen müssen, aber die war noch bei der Familie Nersessian, und er hatte ja noch den Zweitschlüssel. Am Donegal Crescent war alles ruhig – nicht ein einziges Auto fuhr vorüber. Nur in dem hell erleuchteten Wohnzimmer eines Nachbarhauses hörte er einen Fernseher, und in einem der nach hinten hinausführenden Gärten bellte ein Hund. Er spürte die Taschenlampe in der Tasche. Ihr Gewicht wirkte irgendwie beruhigend.
Vorne im Gang war es dunkel. Die abgestandene Luft hatte einen bitteren, salzigen Geruch. Er tastete nach dem Lichtschalter, und dann fiel es ihm wieder ein … Scheiße . Der Schlüssel für den Stromzähler: Souness hatte ihn abgezogen und oben auf den Kasten gelegt, als sie das letzte Mal hier gewesen waren. Er schaltete die Taschenlampe an, ging in die Küche und steckte den Schlüssel wieder in den dafür vorgesehenen Schlitz. Das Licht ging an, und der Kühlschrank schaltete sich polternd ein. Caffery war im ersten Augenblick geblendet – seine Nerven waren angespannt. Schon der Weg durch den Gang in die Küche- mit dem dunklen Wohnzimmer rechts und der Kellertür links von ihm – war ihm schwer gefallen. So kenn ich mich gar nicht … Es dauerte einen Augenblick, bis sein Herzklopfen wieder nachließ.
Er öffnete den Kühlschrank, an dem noch das Fingerabdruckpulver haftete, das Detective Sergeant Quinn auf die Flächen aufgetragen hatte – ansonsten haftete an den Innenwänden grüngrauer Schimmel. Ein Geruch wie in einer Pilzkultur, aber da war noch was anderes, was seine Nase irritierte: der Geruch, den Souness wahrgenommen hatte, als sie zuletzt hier gewesen waren – diesmal jedoch intensiver. Er zog den Kühlschrankstecker heraus, um das Stromkontingent nicht unnötig zu strapazieren, ging dann wieder zur Küchentür und tastete im Gang nach dem Lichtschalter. Alles noch genau so, wie er es in Erinnerung hatte: die gerahmten Drucke an der Wand, der Plastikläufer auf dem Teppichboden, Rorys Turbo-Wasserpistole auf der Treppe. Nur der Geruch – der war jetzt stärker.
Er wandte schnüffelnd den Kopf und versuchte, den Geruch zu identifizieren. Es roch beinahe, allerdings nur beinahe , so süßlich wie in Pendereckis Haus. Er fühlte sich irgendwie an den Geruch des Todes erinnert. Ob die Spurensicherung vielleicht was übersehen hat? Ob es in dem Haus womöglich etwas gibt, das niemand bemerkt hat?
Ja, es musste in dem Haus noch etwas geben, was niemandem aufgefallen war. Außerdem war eine fremde Person hier in diesen Räumen gewesen – da war er sich ganz sicher.
Er schob die Taschenlampe in die Hosentasche und ging zum Fuß der Treppe. Das Letzte, woran Peach sich angeblich erinnern konnte, war, dass er unten an der Treppe gestanden und nach oben geschaut hatte. Caffery hängte seine Jacke an den unteren Geländerpfosten und ging langsam die Stufen hinauf. Je höher er stieg, umso intensiver wurde der Geruch. Oben auf dem Treppenabsatz blieb er stehen und stützte sich mit den Händen gegen den Wäscheschrank. Der merkwürdige Text war immer noch dort – an den Stellen, an denen Fiona Quinn Farbproben entnommen hatte, allerdings verschmiert und verkratzt. GEFAHR – und daneben das Frauensymbol. In diesem kleinen Schrank hatte Carmel Peach mehr als drei Tage verbracht. In diesem Schrank hatte sie – halb irre vor Schmerzen und mit blutenden Handgelenken – zusammengekrümmt gelegen und ihren kleinen Sohn unten schreien hören.
Falls sie die Wahrheit
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