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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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auf. »Wie bitte?« Die Polizistin sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Was haben Sie da gesagt?«
    »Da war noch was.«
    »Und was?«
    »Ich glaube, er hat Fotos gemacht.«
    »Fotos?«
    »Ich hab durch den Schlitz unten an der Tür ein Blitzlicht gesehen. Und ich hab auch gehört, wie er den Film weitergespult hat. Ja, es muss so gewesen sein – er hat fotografiert.«
    »Und was hat er Ihrer Meinung nach fotografiert?«
    »Weiß ich nicht. Will ich auch gar nicht wissen.« Sie fing wieder an zu zittern und rieb sich die Arme. »Es war so furchtbar, so schrecklich. Mein Gott, wie konnte ich nur drei Tage wie ein verängstigtes Mäuschen in diesem Schrank hocken? Aber ich hab ja nicht geahnt, dass er Rory mitnimmt. Wenn ich das gewusst hätte …«
    »Sie haben sich absolut nichts vorzuwerfen, Carmel. Schauen Sie sich doch nur mal an, wie Ihre Arme aussehen. Sie haben alles versucht …« Caffery verstummte plötzlich betreten. Pass auf, dass du nicht alles nur noch schlimmer machst . Er blätterte in seinen Unterlagen. »Also, ich weiß, wie schwierig das alles für Sie ist, aber wir brauchen leider noch eine Unterschrift von Ihnen. Es handelt sich um eine Genehmigung. Wir haben nämlich ein Schulfoto von Rory gefunden, und wir möchten es vervielfältigen, um es möglichen Zeugen zu zeigen. Außerdem habe ich einige Kleider und Schulbücher von Rory an mich genommen.«
    »Kleider? Schulbücher?«
    »Für die Hunde. Und …«
    »Und was?«
    … weil wir daran vielleicht Hautpartikel finden, aus denen sich Rorys DNS isolieren lässt. Damit wir ihn identifizieren können. Weil er vermutlich, auch wenn ich das nicht laut ausspreche, bereits tot ist.
    In London herrschten die heißesten Juli-Temperaturen seit Jahren, und Caffery wusste, was bei solchem Wetter innerhalb von achtundvierzig Stunden geschehen konnte. Ferner wusste er, dass es für die Eltern nicht zumutbar war, Rory zu identifizieren, falls es nicht gelang, den Jungen bis zum folgenden Morgen zu finden.
    »Und?«, wiederholte sie.
    »Ach nichts. Ist nur wegen der Hunde. Am besten, Sie unterschreiben ganz einfach diese Formulare.«
    Sie nickte, und er reichte ihr die Formulare und einen Stift.
    »Mrs. Peach?«
    »Ja?« Sie unterschrieb die Vordrucke und gab sie ihm über die Schulter zurück, ohne sich umzudrehen.
    »Leider habe ich bisher noch keine Angaben über Rorys genaues Alter. Einige der Nachbarn sagen, dass er neun ist.« Er nahm die Papiere entgegen und schob sie in seine Mappe. »Ist das richtig?«
    »Nein. Das ist nicht richtig.«
    »Nein?«
    »Nein.« Sie drehte sich um und sah ihn an. Es war das erste Mal, dass er ihr voll ins Gesicht blickte. Das Erste, was ihm auffiel, waren ihre Augen, die irgendwie tot wirkten – wie damals bei seiner Mutter, als Ewan verschwunden war. »Er wird erst im August neun. Er ist acht. Ja, erst acht Jahre alt.«
     
    Unten blieb Caffery kurz im Gang stehen, um sich bei Mrs. Nersessian zu bedanken. »War mir ein Vergnügen. Die arme Frau. Ich mag gar nicht daran denken, was die Gute durchmacht.«
    Das winzige blitzsaubere Wohnzimmer war bis obenhin mit Nippes voll gestellt. Auf dem spiegelblanken Tisch stand eine Bowle-Schale, und die Glasvitrine war mit einer ganzen Glastiersammlung ausgestattet. Auf dem mit Plastik überzogenen Sofa saß ein vielleicht zehn Jahre altes Mädchen mit dunklen Augen. Die Kleine hatte eine kurze Hose und ein rot gestreiftes T-Shirt an und blickte Caffery schweigend entgegen. Mrs. Nersessian schnippte mit den Fingern. »Annahid, lass uns jetzt bitte allein. Du kannst dir oben ein Video anschauen, aber bitte nicht zu laut. Rorys Mama schläft.« Das Kind löste sich langsam von dem Sofa und ging aus dem Raum.
    Mrs. Nersessian wandte sich wieder in Cafferys Richtung und legte ihm die Hand auf den Arm. »Nersessian. Das ist ein armenischer Name. Sie werden nicht sehr oft mit Armeniern zu tun haben. Deshalb sollten Sie eines wissen: Sobald Sie ein armenisches Haus betreten, müssen Sie etwas essen.« Sie huschte in die Küche und machte sich dort zu schaffen. Zuerst holte sie irgendwas aus dem Kühlschrank, dann sah er, wie sie ihr feinstes Geschirr aus dem Schrank hervorkramte. »Ich mach Ihnen nur schnell ein kleines Pistazien-Loukoum«, rief sie ihm durch die Tür zu. »Und etwas Minztee, und dann sprechen wir noch ein Gebet für Rory.«
    »Nein, danke – ich -, also ich wollte mich nur kurz bei Ihnen bedanken, Mrs. Nersian …«
    » Nersessian .«
    »Nersessian. Den Tee

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