Die Behandlung: Roman (German Edition)
Kamera hatte es nichts Außergewöhnliches auf sich, entschied er schließlich. Nichts Ungewöhnliches, dass so etwas im Park herumlag. Und mit den Handschuhen hatte es auch nichts auf sich – jeder, der mit halbwegs offenen Augen durch den Park ging, konnte schließlich unter den Bäumen alles Mögliche finden. Außerdem konnte er die Kamera natürlich verkaufen.
»Nein.« Er öffnete die Augen und schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, nichts Ungewöhnliches.«
Und dieser Logan schien sich mit der Antwort tatsächlich zufrieden zu geben.
Kurze Zeit später stand Klare am Fenster und sah zu, wie der Polizist – der unten auf dem Vorplatz so winzig wie eine Fliege erschien – das Haus verließ. Als er sicher war, dass der Bulle weg war, zog er die Vorhänge zu, holte die Kamera aus der Keksdose und gab sich redlich Mühe, den Film herauszunehmen. Als ihm dies nicht gelingen wollte, setzte er sich – durch den Besuch des Polizisten und dessen kühle Herablassung noch immer aufgewühlt – auf das Sofa, holte ein paar Mal tief Luft und starrte auf seine Hände.
Unten in der Dulwich Road berichtete Logan währenddessen den Kollegen, dass er nichts Neues zu vermelden habe. Dabei hielt er ihnen demonstrativ seine leeren Hände entgegen. Ja, der Mann hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie unendlich nahe er gerade dem einzigen Beweisstück gekommen war, das eine Aufklärung des Falles innerhalb weniger Stunden ermöglicht hätte.
5. KAPITEL
Auf dem Bauschild der Wohnanlage, die die Hummingbird-Immobiliengesellschaft gerade am östlichen Rand des Brockwell Parks hochziehen ließ, waren unter einem blauen Himmel blühende Bäume zu sehen. Die von Sträuchern und geschmackvollen Straßenlaternen gesäumten Gehsteige auf der Tafel waren mit gut gekleideten Geschäftsleuten bevölkert. Die Straßen waren völlig frei von jenen Schmutzspuren, wie sie Baufahrzeuge hinterlassen, und auch von x-förmig mit Klebeband markierten Fenstern war auf dem Bild nichts zu sehen. Die Mädchen vorne in den Präsentationsräumen erklärten jedem Besucher sofort: »Natürlich ist die Anlage noch nicht fertig, das wird nach unseren Schätzungen wohl noch einige Monate dauern« – und dann führten sie potenzielle Käufer durch einen Nebeneingang in eine mit Backsteinen gepflasterte Straße, an deren Ende ein paar luxuriöse Stadthäuser mit fünf Stockwerken und Blick auf den Brockwell Park standen: und zwar mit eigenem Garten und Garage für schlappe 295 000 Pfund und zudem noch drei Monate früher fertig als ursprünglich geplant. Ein exklusives Angebot für Angehörige des mittleren Managements, deren Einkünfte für ein richtiges Anwesen in einem Ort wie Dulwich allerdings beim besten Willen nicht reichten.
Eine Familie war bereits kurz vor den Sommerferien eingezogen. Die Handläufe und Holzpartien im Haus Nummer fünf waren in glänzendem Schwarz gehalten, und neben dem kleinen Treppenaufgang standen zwei kegelförmig gestutzte Lorbeerbäume. Einer der Arbeiter, die noch auf dem Gelände tätig waren, hockte in der Mittagpause häufig auf einem Stapel Deckenbalken und beobachtete die blonde Frau, die mit ihrem kleinen Sohn mehrmals täglich in ihrem zitronengelben Daewoo von irgendwelchen Besorgungsfahrten heimkehrte. Der Arbeiter war ein figurbewusster Mann – zurzeit machte er gerade eine Eiweißdiät -, und wann immer er ein bisschen Inspiration brauchte, riskierte er den einen oder anderen Blick auf die Blondine. Echt hübsch die Frau, doch leider etwas übergewichtig. Ja, eigentlich hatte die ganze Familie ein paar Kilo zu viel. Die Leute sahen einfach nicht gesund aus. Das schimmernde Haar, die sonnengebräunte Haut, die guten Kleider – das alles vermochte das Übergewicht nicht wettzumachen, fand er, während er auf seinem Thunfisch und einer Scheibe Vollkornbrot herumkaute.
An jenem Nachmittag hatte er im Brockwell Park und am Rand der Grünanlage mehrmals Suchtrupps der Polizei gesehen und sogar mit einem Zivilbeamten gesprochen, der auf der Baustelle aufgekreuzt war und ihn ausgefragt hatte. Er wollte gerade seine Klamotten zusammenpacken und nach Hause gehen, als er vor dem Haus Nummer fünf einen etwa fünfunddreißig Jahre alten, dunkelhaarigen Mann sah. Vielleicht wieder so ein Zivilfahnder, dachte der Arbeiter, doch andererseits erschien der Typ mit seinem gut geschnittenen Haar und dem perfekt sitzenden Anzug dazu irgendwie zu elegant. Dann öffnete die Blondine die Tür.
»Hallo.« Die junge Frau
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