Die Behandlung: Roman (German Edition)
hatte unter ihrem honigblonden Haar ein hübsches kleines Gesicht mit blassem Teint. Sie trug eine weiße Hose und ein blau gestreiftes T-Shirt. Neben ihr in der Tür stand ein alter schwarzer Labrador. Caffery sah sofort, dass er es hier mit Leuten zu tun hatte, wie sie sonst in der Gegend nicht so häufig anzutreffen waren.
»Tag.« Er zeigte ihr seinen Dienstausweis. »Inspector Caffery.«
»Wie das Bier?«
»Exakt – genau wie das Bier.«
»Geht es um den kleinen Jungen?« Sie hatte sehr große, fast silbergraue Augen. Wäre er nur etwas näher an sie herangetreten, hätte er sich darin spiegeln können, das war jedenfalls sein Eindruck. »Den kleinen Rory.«
»Ja.«
»Dann kommen Sie doch bitte herein.« Sie beugte sich zu dem alten Hund hinab und zog ihn am Halsband ins Haus, während sie Caffery mit der anderen Hand hereinwinkte. »Kommen Sie doch gleich mit nach hinten – und schließen Sie bitte die Tür hinter sich. Mein Sohn und ich machen gerade Schokotrüffeln. Die größte Schmiererei haben wir Gott sei Dank schon hinter uns. Trotzdem muss ich noch schnell den Tisch abwischen.« Sie blieb vorne im Eingang stehen, öffnete die Tür zu der kleinen Garderobe und schaltete das Abzugsgebläse ein. »Tut mir Leid, dass es hier so komisch riecht. Riechen Sie was?«
»Nein.«
»Sagt mein Mann auch, dass ich mir das nur einbilde.«
»Frauen haben bekanntlich eine feinere Nase«, erwiderte Caffery.
»Natürlich – damit sie rechtzeitig die Windeln wechseln können.«
»Ist Ihr Mann auch zu Hause?«
»Nein, der ist noch in der Arbeit. Bitte, kommen Sie doch herein.«
Sie führte ihn in den Wohnbereich des Hauses, einen riesigen zusammenhängenden Raum, der lediglich durch eine hüfthohe Küchenzeile in Küche und Wohnzimmer unterteilt war. Rechter Hand eine große lichtdurchflutete moderne Küche: skandinavisches Design, große Oberlichter, Naturholz, unter den Hängeschränken Lichtschienen und auf den Arbeitsflächen an den Wänden in Reihen angeordnete, schwere Glasbehälter. Auf der linken Seite dann ein geräumiger Wohnbereich mit Sisalboden und großformatigen, blanken Fenstern, durch die das Sonnenlicht hereinfiel. Der gesamte Raum war so gestaltet, dass man zugleich kochen, sich unterhalten oder fernsehen konnte. Modernes Wohnen.
»Ach, hallo«, sagte Caffery.
»Hallo.« In der Küche stand ein acht- bis neunjähriger Junge mit Unschuldsmiene, wohl um seiner Mutter zu signalisieren, dass er in ihrer Abwesenheit nichts Verbotenes getan hatte. Er hatte etwas schräg gestellte Augen, eine relativ markante Nase, kurz geschnittenes Borstenhaar und ein von der Sonne so stark gebräuntes Gesicht, dass es fast schien, als ob er gerade vom Strand nach Hause gekommen wäre. Außerdem trug er Plastiksandalen und über der blauen Badehose ein T-Shirt. Sein Mund war mit Schokolade verschmiert.
»Nein, so was, aber er kann es einfach nicht lassen.« Sie strich dem Jungen die Haare aus der Stirn. »Mein Sohn Josh.«
Caffery gab dem Kleinen die Hand. »Hallo.«
»Ist ja nicht so schlimm«, sagte Josh düster und schüttelte Caffery die Hand. »Aber sonst bin ich ein ganz netter Junge.«
Caffery nickte lächelnd.
»Und ich bin Benedicte Church.« Die junge Frau schenkte Caffery ein entzückendes Lächeln und reichte ihm dann gleichfalls die Hand. »Sie können auch Ben sagen.« Dann nahm sie hinter ihrem Sohn Aufstellung und legte ihm die Hände auf die Schultern.
Sie war so gar nicht wie die typische Mittelklasse-Hausfrau, sondern sogar außerordentlich hübsch – wie Caffery fand -, mit relativ kurzen Beinen und einem Prachthintern. Dauert bestimmt’ne ganze Weile, bis so ein Po seinen Reiz verliert, dachte er. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er sie anstarrte, während sie sich das Haar aus der Stirn strich und leise zu ihrem Sohn sagte: »Kleiner Mann, du wäscht dir jetzt hübsch das Gesicht. Okay? Und danach darfst du ein paar Trüffeln essen.«
Josh verschwand gehorsam im Bad. Als sie das Rauschen des Wassers hörte, senkte Benedicte den Kopf und sah Caffery fragend an. Ihr Lächeln war plötzlich wie weggeblasen. »Schreckliche Geschichte«, flüsterte sie. »Im Fernsehen erfährt man ja nichts Genaues. Haben wir ebenfalls Grund zur Besorgnis?«
»Kann nicht schaden, wenn man die Augen offen hält.«
»Ich hab gestern Abend den Helikopter gehört.« Sie wies mit dem Kinn Richtung Park. Bereits wenige Meter jenseits des Gartens waren auf der Rückseite des Hauses die ersten Bäume zu
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