Die Behandlung: Roman (German Edition)
gerichtsmedizinische Befund. Champ war damals übel zugerichtet worden: Der Täter hatte dem Jungen fast einen ganzen Fleischlappen aus der Schulter gerissen. Caffery schloss die Akte und sah Durham an. Er wusste genau, dass die Farbe aus seinem Gesicht gewichen war. »Dann hat der Täter diesen Jungen also damals gebissen ?«
»Ja, wussten Sie das denn nicht?«
»Nein …«, entgegnete Caffery leise.
»O ja … der Täter hat dem Jungen mit den Zähnen ein Stück Fleisch aus der Schulter gerissen. Kommt manchmal vor bei diesen Perversen. Ekelhaft.«
»Und sonst noch Tätlichkeiten?«
»Na ja, der Kerl hat dem Jungen außerdem noch ein dickes Kabel von hinten in den Körper gerammt, und zwar so brutal, dass dieser Champ damals eine Woche auf der Intensivstation liegen musste.«
Caffery rieb sich die Schläfen. Ja, das war – wenn auch noch undeutlich – eine erste Spur. Er nahm die Brille ab und starrte auf einen Punkt direkt unterhalb von Durhams Kinn. »Sagen Sie, wissen Sie eigentlich, was genau mit Rory Peach passiert ist?«
»Wie meinen Sie das?«
»Dieselbe Art von Verletzung. Absolut identisch. Bisswunden im Schulterbereich und ein fast herausgerissenes Stück Fleisch. Vergewaltigung – rektale Blutungen.«
Durham saß einen Augenblick schweigend da. Sein ohnehin etwas verkniffener Mund, der auf eine gewisse Resignation schlie ßen ließ, wurde noch schmaler, als Caffery ihm diese Neuigkeit erzählte. Er hustete laut, trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte und nahm dann wieder Caffery gegenüber Platz. »Hm – so, so.« Er massierte sein Doppelkinn mit solcher Inbrunst, dass es rot anlief. »Na gut, ich ruf nur schnell meine Frau an und sag ihr, dass sie mir ein bisschen was auf die Seite stellt – für die Mikrowelle.«
Als Hal abends nach Hause kam, erschien sofort Smurf in der Diele und legte sich auf den Rücken. Ihr fast nackter Bauch hatte dieselbe Farbe wie bei einem Welpen. »Hallo, altes Mädchen.« Er bückte sich zu dem alten Hund hinab und tätschelte ihm die Brust, warf dann seine Brieftasche auf die Fensterbank und ging in das Fernsehzimmer. Dort küsste er Josh auf den Kopf, holte sich dann ein Bier aus dem Kühlschrank und sah Ben beim Kochen zu. Ihre fast metallic-grauen Augen schienen an diesem Abend noch mehr zu strahlen als üblich. Das erste Geschenk, das Hal ihr gemacht hatte, war ein Mondstein gewesen – der genau zu ihren Augen passte.
»Hal, bist du sicher, dass du nichts riechst?«
»Was soll ich denn riechen?«
»Ich weiß nicht. Aber hier riecht es nach irgendwas.«
»Wo?«
»Überall.« Sie ging in die Diele hinaus.
»Und wie riecht es?« Hal folgte ihr mit dem Bier in der Hand. »Wie Blähungen – oder wie?«
»Nein. Wie völlig verdreckte Kleider – oder wie Abfall.« Sie stand schnüffelnd mit einem Holzlöffel in der Hand vorne in der Diele. Seit dem Einzug in das neue Haus hatte sich ihr Geruchssinn spürbar verfeinert. Ja, sie hatte sogar schon befürchtet, wieder schwanger zu sein. Aber sie nahm ja die Pille, und sonst sprach nichts für diese Annahme. Vielleicht hatte sie sich einfach noch nicht richtig an die neue Umgebung gewöhnt.
»Bist du sicher, dass wir nicht vergessen haben, etwas auszupacken?«
Benedicte schüttelte den Kopf. Sämtliche Lebensmittel waren sofort in die Küche gebracht worden – sie hatte sie selbst ausgepackt. Außerdem hatten sie aus der alten Wohnung ohnehin nur trockene Lebensmittel und Konserven mitgenommen.
»Dann musst du es dir einbilden.« Er legte seine Arme um ihre Taille. »Du bist ein bisschen gaga, altes Mädchen.« Er versuchte, seine Hände unter ihr blaues Hemd zu schieben, doch sie lachte nur.
»Hör auf, alter Blödmann.« Sie machte sich von ihm los. »Komm schon und mach mir was zu trinken, ich muss wieder in die Küche. Warum erzählst du mir nicht ein paar schmutzige Witze, während ich die Kartoffeln wasche?«
Er mixte ihr einen Gin Tonic und saß dann mit Josh auf dem Sofa und schaute zu, wie Ben den Lauch klein schnitt. Schon als er sie damals kennen gelernt hatte, war Ben ein Mädchen mit üppigen Formen gewesen. Sie selbst machte sich gelegentlich Sorgen wegen ihres Gewichts, doch er fand sie von oben bis unten einfach hinreißend. Und an Sex hatte sie genauso viel Spaß wie er. Sie waren schon seit ihrer frühen Jugend zusammen, und keiner von beiden hatte seither das Bedürfnis verspürt, außerhalb ihrer Beziehung ein Abenteuer zu suchen. Schau uns nur an. Wer würde schon
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