Die Behandlung: Roman (German Edition)
isolieren ließe?«
»Ja – Sie haben doch die Fotos, nicht wahr? Darauf ist das Toluidinblau zu erkennen, das Krishnamurthi verwendet hat. Sieht ganz so aus, als ob es zu einer Penetration oder einem Penetrationsversuch gekommen wäre. Und dann diese Fremdsubstanz?«
»Ja?«
»Samenflüssigkeit.«
War ja klar. Caffery strich sich mit der Hand über die Stirn. Natürlich. Wir haben es also definitiv mit einem Pädo zu tun – war ja von vornherein klar, also brauchst du jetzt nicht so zu tun, als ob du völlig überrascht wärst. Er sah Souness an. Sie blickte immer noch aus dem Fenster. Er griff sich einen Schreiber und holte tief Luft. »Gut, dann … also dann haben wir also die Täter-DNS?«
»Na ja, vielleicht .«
»Wieso vielleicht ?«
»Also …«, sagte sie vorsichtig, »… Rory hat ja noch ziemlich lange gelebt, dabei hat sein Körper möglicherweise einen Großteil der Samensubstanz chemisch verändert. Wissen Sie, wenn das Tatopfer vor sich hin dämmert und sich kaum bewegt, dann können wir manchmal noch intakte DNS finden, selbst nach ein paar Tagen – aber Rory hat sich bewegt, und dabei verändert sich häufig die chemische Zusammensetzung der Fremdsubstanz und …«
»Schon gut – versuchen Sie’s trotzdem.« Er fing an, sich die Details des Gesprächs auf einem Blatt Papier zu notieren. »Und ich möchte nicht wieder wochenlang auf das Ergebnis warten – wie beim letzten Mal.«
»Wenn Sie die Sache offiziell als vorrangig deklarieren, geht es schneller.«
»Hm, Fiona, das war doch auch beim letzten Mal der Fall .«
»O Gott, tut mir Leid. Bisweilen hab ich keinen Einfluss darauf, was das Labor macht.«
»Keine Sorge. Denen werde ich schon Beine machen.«
Bereits vor Rory Peachs Ermordung war bei der Kripo die Stimmung ziemlich mies gewesen: Die staatlichen Zuwendungen wurden ständig gekürzt, die Beamten waren allesamt überarbeitet, und dann gab es da noch vier »kritische« Zwischenfälle mit rassistischem Hintergrund, die der Aufklärung harrten, außerdem eine seit vier Jahren ungelöste Serie von Sexualverbrechen, und da waren noch die fünf Schießereien im Drogenmilieu, die es zu durchleuchten galt. Um die Moral war es also nicht sonderlich gut bestellt, was sich auch darin zeigte, dass die Kollegen ihren Routineaufgaben nur lustlos nachgingen: So hatte etwa Logan während der Haus-zu-Haus-Befragung gerade mal drei Parteien pro Tag geschafft. Außerdem wusste Caffery, dass angesichts der Fülle des Materials, das auf Kryotos’ Schreibtisch landete, die Ergebnisse nicht so schnell in den Zentralcomputer eingespeist werden konnten, wie dies eigentlich nötig gewesen wäre. Doch die Öffentlichkeit durfte von alledem natürlich nichts erfahren.
Auf der für vormittags angesetzten Pressekonferenz bat Souness die anwesenden Journalisten und TV-Reporter um eine Schweigeminute für Rory. Das Land war schockiert: Die News of the World nutzten die Gelegenheit, um abermals die öffentliche Bekanntgabe der Namen und Adressen verurteilter Sexualstraftäter zu verlangen. Als Souness auf der Rückfahrt ins Revier mit ihrem roten BMW vor einer Ampel halten musste, öffnete der Himmel über Südlondon plötzlich seine Schleusen, und wenige Minuten später standen die Straßen völlig unter Wasser. Danni fühlte sich durch die Sturzbäche, die aus den tiefschwarzen Wolken niederprasselten, an die Fluten erinnert, mit denen ein zorniger Gott vor langer Zeit die frevelhaften Menschen gestraft hatte.
Caffery hatte in seinem Dienstzimmer die Fenster weit geöffnet und blickte in den Regen hinaus. Der Duft der Erde stieg ihm in die Nase, und er hätte sich nicht gewundert, wenn drau ßen auf der Straße eine entwurzelte Palme vorbeigetrieben wäre. Er schloss das Fenster, hockte sich wieder an seinen Schreibtisch und beobachtete Kryotos durch die offene Tür. Offenbar hatte sie sich wieder gefangen, denn sie gab konzentriert immer neue Daten in den Zentralcomputer ein. Die Tränen in der Küche hatten ihn aufrichtig schockiert: Schließlich hatte Kryotos bislang noch nie die Fassung verloren. Ja, er hatte sie sogar wegen ihrer guten Nerven fast ein wenig beneidet und sich schon so manches Mal gefragt, wie sie es nur anstellte, sich die Dinge so weit vom Leib zu halten.
Als ob sie gespürt hätte, dass er sie beobachtete, blickte Kryotos plötzlich auf. Ihre Augen begegneten sich, doch diesmal wandte sie nicht verlegen den Blick ab. Sie schien vielmehr verwirrt – als ob sich über
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