Die Behandlung: Roman (German Edition)
den Ermittlungen.« Durham war davon überzeugt, dass die Ermittlungen keinen Erfolg gehabt hatten, weil Champ nur die halbe Wahrheit gesagt hatte. Ansonsten hatte der Junge nur unverbindliches Blabla von sich gegeben und widersprüchliche Angaben gemacht. Erschwerend hinzu kam noch, dass er Laote war. »Deshalb haben sich die Kollegen auch nicht sonderlich angestrengt – die meisten konnten ja nicht mal seinen Namen richtig aussprechen. Später hat es dann nie mehr einen vergleichbaren Vorfall gegeben, deshalb ist die Sache einfach im Sande verlaufen. Sie kennen das ja.«
»Vielleicht ist der Täter ja wegen’ner anderen Geschichte in den Knast gewandert.« Caffery nahm die Brille ab und rieb die Gläser am Ärmel seines Hemds sauber. »Unser Peach-Mann hat nämlich gesessen.«
Durham hob fragend die Augenbrauen.
»Das Kind ist mit einem Gürtel gewürgt worden.«
»Ach so.« Durham nickte. Er wusste, was Caffery meinte: die im Knast übliche Praxis, sich ein Vergewaltigungsopfer mithilfe eines um den Hals gelegten Gürtels gefügig zu machen. Durham, der eine vierzehnjährige Tochter hatte, die begeisterte Reiterin war, musste jedes Mal an eine Trense denken, wenn von dieser Praxis die Rede war. Eine Trense, die dazu diente, einem widerspenstigen Pferd den eigenen Willen aufzuzwingen, während man dem Tier zugleich zwei muskulöse Schenkel in die Flanken presste. Ein Polizist, der am Hals eines Opfers solche Male sah, wusste sofort, woran er war.
»Wissen Sie: Komisch, dass Sie in dem Peach-Fall ausgerechnet auf den Troll gestoßen sind …« Durham befummelte sein Kinn und beobachtete, wie Caffery sich die Brille wieder aufsetzte und dann in sein Notizbuch blickte. »Als ich von der Sache gehört habe, ist mir nämlich sofort dieser miese Scherz mit den Fotos damals in der Half Moon Lane wieder eingefallen.«
Caffery blickte auf. »Fotos in der Half Moon Lane …?«
»Nie davon gehört?« Durham machte sich wieder an seinem Doppelkinn zu schaffen. »Ja, wie sollten Sie auch? Liegt ja schon zehn Jahre zurück. Oder sogar noch länger. Hat aber mit Champ nichts zu tun gehabt, ist nur zufällig zur gleichen Zeit passiert. Damals hat nämlich jemand in der Half Moon Lane in einem städtischen Mülleimer zwei Polaroids gefunden.«
»Ja und?«
»Aber die Ermittlungen haben nichts ergeben – war offenbar nur ein übler Scherz. Trotzdem hat uns die Geschichte damals ganz schön zu schaffen gemacht, das kann ich Ihnen sagen. Die Anwohner haben uns die Bude eingerannt. Ja, wir haben sogar vor sämtlichen U-Bahn-Stationen Plakate aufgehängt: Kennen Sie dieses Kind? Es könnte sich in Gefahr befinden etc .«
»Kann mich nicht daran erinnern.«
»Na ja, der Vater – jedenfalls haben wir ihn damals so genannt, obwohl wir uns nicht sicher waren. Also, der Vater und der Junge – noch ein ziemlich kleiner Kerl – waren beide gefesselt: und nackt. Natürlich waren die Plakate nur ein Versuch – nicht mal die eigene Mutter hätte den Jungen auf dem Fotos erkannt, viel zu unscharf. Als dann auch noch das Labor an den Bildern herumgepfuscht hat, waren sie hinterher eher noch schlechter, wenn Sie mich fragen. Die Vergrößerung war schlicht für den Arsch. Aber bitte nicht weitersagen – Sie wissen schon.«
»Und – glauben Sie auch, dass das damals bloß ein übler Scherz war?«
Durham zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Jedenfalls sind wir schließlich zu der Auffassung gelangt, dass es sich nur um einen miesen Witz handeln kann. Hat sich ja nie jemand bei uns gemeldet, und unsere Ermittlungen haben auch nichts ergeben. Irgendwann hat die Pädo-Abteilung von Scotland Yard dann den Fall übernommen – hier in Brixton haben wir jedenfalls nie mehr was davon gehört.«
»Und was ist aus den Fotos geworden?«
»Waren zuerst im Labor in Denmark Hill, glaub ich, und dann wieder hier bei uns. Aber da wir hier jedes Jahr Revison machen, dürften sie vermutlich zur Aufbewahrung nach Charlton oder Cricklewood gegangen sein. Ich kann mal in unseren Unterlagen nachsehen, wenn Sie möchten.« Durham stand auf, zog an seinem Doppelkinn. Dann stützte er sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch und sah Caffery an. »Das Komische ist, dass zu der Zeit die Champ-Ermittlungen noch liefen. Als die Fotos damals hier aufgetaucht sind, hatte ich sofort so ein merkwürdiges Gefühl. Sie wissen schon, was ich meine. Ich hab mich immer wieder gefragt, ob die Geschichte vielleicht was mit diesem Troll zu tun hat – ich meine,
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