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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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was Schuldgefühle verursacht – oder meinen Sie nicht? Was glauben Sie, wie der Mann sich fühlt, wenn er seine Familie durch irgendwelche krumme Touren so tief ins Unglück gestürzt hat?«
    »Also ich weiß nicht recht.« Sie starrte gedankenverloren auf das undeutliche Spiegelbild, das sie an der Aluminumwand des Aufzugs verursachte. »Da müsste er aber schon verdammt tief in der Scheiße stecken, wenn er so ein perverses Schwein deckt.« Sie seufzte. »Trotzdem haben Sie Recht – irgendwas ist faul an der Geschichte.«
    »Je länger ich darüber nachdenke, umso unplausibler kommt mir seine Aussage vor. Hat er nicht gesagt, dass er während der drei Tage, die er an der Heizung festgekettet war, nichts von Rory gehört hat? Kommt Ihnen das nicht merkwürdig vor?«
    »Hm …«
    »Wenn Alek von Rory die ganze Zeit nichts mitbekommen hat, wieso konnte seine Mutter den Jungen dann hören?« Er hob die Hand und klopfte gegen die Decke des Lifts. »Carmel hat die Schreie des Jungen sogar im ersten Stock gehört. Es ist doch völlig unmöglich, dass Alek nichts gehört hat.«
    »Ja, klingt ziemlich plausibel.« Sie sah ihn von der Seite an. »Dann glauben Sie also, dass er lügt?«
    »Aleks Aussage steckt voller Widersprüche. Zum Beispiel die Geräusche des Fotografierens, die Carmel gehört hat. Auch davon hat Alek angeblich nichts mitgekriegt. Und dann die geplante Urlaubsreise. Reiner Zufall? Oder vielleicht doch nicht. Möglich ist auch, dass jemand gewusst hat, dass sie in Urlaub fahren wollten. Anscheinend hat der Täter gewusst , dass niemand ihn stören würde.« Die Lifttüren gingen auf, und Caffery trat rückwärts aus dem Lift und sah Souness an. »Jedenfalls begreife ich nicht, woher ein Fremder gewusst haben soll, dass die Familie in Urlaub fährt? Sieht also ganz so aus, als ob die Familie den Täter gekannt hat.«
    »Okay. Okay.« Sie schob ihre Karte ein weiteres Mal in ein Lesegerät. Dann traten sie in das verlassene Großraumbüro. Die Bildschirme auf den Schreibtischen waren dunkel, und Kryotos hatte wie üblich die Kaffeetassen abgespült und auf einem Tablett in der Ecke deponiert. In ihrem gemeinsamen Dienstzimmer stützte sich Souness mit den Händen auf die Schreibtischkante und sah Caffery an. »Jack, ich glaube, Sie haben da was entdeckt. Ich weiß zwar noch nicht genau, was, aber ich glaube, das könnte eine Spur sein …«
     
    Benedicte lag erschöpft und durstig auf dem Rücken. Sie hatte jeden Zentimeter ihres Gefängnisses erkundet, war wie eine Schlange umhergekrochen, hatte sich die Ellbogen wund gerieben. Den Wäscheschrank konnte sie zwar erreichen – doch so sehr sie sich auch streckte: Die Tür und das Fenster lagen mindestens einen Meter außerhalb ihrer Reichweite. Sie versuchte verzweifelt, das Kupferrohr zu verbiegen – ja, sie hatte immer wieder so ungestüm an der Handschelle gezogen, dass ihr Bein dick angeschwollen und der Metallring kaum mehr zu sehen war. Überdies waren die kleinen Schrauben völlig ruiniert – so hingebungsvoll hatte sie sich mit dem Drahtbügel daran zu schaffen gemacht.
    Inzwischen hatte sie gelernt, die Tageszeit wenigstens grob einzuschätzen, egal, ob es draußen hell oder dunkel war. Manchmal fuhren in der Ferne, also auf der anderen Seite des Parks, Züge vorbei, die sie auch in Brixton bisweilen gehört hatte. Hin und wieder zuckten an der Elektroleitung über den Schienen kurze Blitze auf. In der Stille der Nacht waren die Züge für sie die reinste Himmelsmusik, bestätigten sie ihr doch immer wieder, dass es dort draußen noch Menschen gab. Außerdem begriff sie sehr rasch: Wenn die Züge zu rollen aufhörten, musste es zwischen 24 Uhr und 1 Uhr nachts sein.
    Aus dem Erdgeschoss drang kein Laut nach oben. Inzwischen wusste sie auch, dass die Flüssigkeit draußen vor der Tür nicht etwa Benzin war, sondern Urin. Der Kerl war extra die Treppe hinaufgegangen, um ausgerechnet ein, zwei Meter neben dem Bad an die Tür zu pissen . Diese miese kleine Ratte. Und trotzdem war sie froh, dass er vor der Tür kein Benzin ausgegossen hatte.
    Sie setzte sich auf und streckte ihre Glieder. Urin. Bisher war es ihr gelungen, diese Demütigung zu vermeiden – doch sie wusste, dass es sinnlos war, den Drang noch länger zu unterdrücken. »Ich muss pinkeln, Smurf.« Sie schämte sich vor dem Hund. »Geht nicht anders.«
    Sie schob ihre Khaki-Shorts samt Unterhose nach unten, streifte beides über den freien Fuß und knüllte es unten an dem

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