Die Beichte - Die Beichte - Dirty Secrets
er frei, genau wie sie - eine Seltenheit. Sie steckte
mitten in ihrer Ausbildung zur forensischen Psychiaterin und war nebenher noch in der Notaufnahme tätig. Ein einziger Tag reichte nicht für einen Ausflug in den Yosemite-Nationalpark, aber sie wollten sich wenigstens die Kletterhalle gönnen. Von der anderen Seite des Betts aus hörte sie, wie er mit dem Flugrettungsdienst sprach.
Klar, bei Notrufen stand er natürlich zur Verfügung, kein Problem. Falls was passierte, konnten sie ihn jederzeit auf dem Handy erreichen. Bereitschaftsdienst - was gab es Schöneres an einem freien Tag.
Er rollte sich wieder unter die Bettdecke und legte ihr den Arm auf den Bauch. Lächelte sie an. Morgen, Mutt.
Morgen, Danny. Sie erwiderte sein Lächeln. Nichts Schöneres an einem freien Tag? Wenn du das glaubst, dann fehlt es dir aber gewaltig an Fantasie.
Sie waren seit drei Jahren verheiratet. Und sie fühlte sich noch immer wie nach einem Lottogewinn, weil ihr Mann gleichzeitig ihr Kollege und ihr Liebster war. Danny war ernst, tüchtig, ein Bergsteiger mit rostfarbenem Haar, das nur kurz geschoren attraktiv wirkte. Er war nicht gut aussehend, doch dafür hatte er eine intensive Ausstrahlung und grüne Augen, die immer bereit schienen, sie ganz zu durchdringen. Er machte keinen Hehl aus seiner Hoffnung, dass sie wie er auf Notfallmedizin umsatteln würde, und die Vorstellung kam ihr gar nicht so abwegig vor. Er war ihr in jeder Hinsicht ein leuchtendes Vorbild. Seine Begeisterung für die Welt und seine Neugier waren größer als bei jedem anderen Menschen, den sie kannte. In der Arbeit war er so besonnen, dass seine Freunde witzelten, er spritze sich regelmäßig ein Beruhigungsmittel für Pferde. All seine Stürme tobten in seinem
Inneren, und nur bei großem Druck ließ er sich etwas davon anmerken. Aber wenn er lächelte, wenn er lachte, war er wie verwandelt.
Wie die Wölfe fielen sie übereinander her, um sich zu lieben, voller Kraft und Hunger. Draußen braute sich bereits ein Unwetter zusammen.
Der Anruf kam um zehn, als sie beim Frühstück im Ti Couz saßen. Ein Kind mit Blinddarmdurchbruch musste von Bodega Bay in Sonoma County ausgeflogen werden. Das Mädchen war sechs und hatte noch andere Krankheiten. Am Universitätsklinikum wurde bereits ein Chirurgenteam zusammengetrommelt. Gleich nach Daniels Eintreffen sollte der Helikopter starten, sofern sie einen zweiten Sanitäter auftreiben konnten - die für Notfälle eingeteilte Schwester ging nicht an ihr Handy.
Daniel sah Jo an.
Später fragte sie sich oft, was passiert wäre, wenn sie anders reagiert hätte. Schon prasselten die ersten Regentropfen gegen die Fenster des Restaurants. Sie hätte den Kopf schütteln und ihn bitten können, nicht zu dem Einsatz zu fahren.
Aber sie tat es nicht. Sie schnappte sich die Autoschlüssel und sagte: »Ich komme mit.«
Die Sonnenstrahlen knallten an die Windschutzscheibe. Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Erinnerungen. Sie drehte Cheb Mami leiser und antwortete.
Es war Amy Tang. »Haben Sie meine Nachricht gekriegt? Ich bin bei Callie Hardings Autopsie. Cohen hat was gefunden. Das sollten Sie sich anschauen.«
»Schon unterwegs.«
Ohne Abschied beendete Tang das Gespräch.
Du mich auch, Schätzchen. Jo wechselte die Fahrspur und beschleunigte.
Jo stieß die Tür zum Gerichtsmedizinischen Institut auf. Sie hoffte, dass Lieutenant Tang sie nicht umsonst hergerufen hatte. Cops und gerichtsmedizinische Angestellte erlaubten sich manchmal den Spaß, Psychiater zu einer Autopsie zu locken. Natürlich erwarteten sie den Quincy-Effekt: Erbrechen, Ohnmacht oder andere widrige Folgen. Der Empfangstresen war mit Kürbisgesichtern geschmückt. Jo meldete sich an und wurde in die Tiefen des Gebäudes geschickt.
Es war hier nicht leiser als in einem Krankenhaus und genauso klinisch. Die Neonleuchten tauchten alles in einen sterilen Schein. Unter der Wandfarbe hing der unauslöschliche Geruch von Formaldehyd.
Autopsien gehörten nicht unbedingt zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Das Sezieren einer menschlichen Leiche im Anatomiekurs hatte ihr nichts ausgemacht, wahrscheinlich weil Menschen, die ihren Körper für Forschungszwecke zur Verfügung stellten, sich diese Entscheidung sicherlich reiflich überlegt hatten. Es war eine Spende, und ihre sterblichen Überreste wurden zu einem Lehrinstrument. Aber Autopsien wurden an Leuten vorgenommen, die nicht mit ihrem Tod gerechnet hatten. Es machte ihr schwer
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