Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern
Rippen, aber nicht, um mich zu ärgern. Ich legte mein Buch weg und betrachtete ihr Gesicht, während sie las. Sie runzelte die Stirn, ihre Augen waren nicht auf die Seiten gerichtet. Sie starrten unkonzentriert auf die bunten Quadrate auf ihrem Bettüberwurf.
»Bist du aufgeregt wegen des Cotillon?«, fragte ich sie. Ihr Gesicht nahm einen noch unglücklicheren Ausdruck an, aber sie sagte nur: »Mhmmh.«
Ich drehte mich auf den Bauch und drückte einen ihrer Füße. »Was hast du denn? Liegt es an Brooks? Er ist doch nett. Ich kann ihn mir gut eines Tages als irgendjemandes Onkel vorstellen oder als Großvater. Die Art Großvater, die einem alberne Gedichte zum Geburtstag schreibt.«
»Ich weiß.« Sie zupfte an der Bettdecke herum, ohne mich anzusehen. »Das ist das Problem, oder? Ich bin noch nicht so weit, mit einem Großvater zusammen zu sein.«
»So war das nicht gemeint«, sagte ich. »Ich wollte bloß sagen, dass er nett ist. Dass du ihm vertrauen kannst.«
»Er wirkt, als könne man ihm vertrauen. Aber das heißt noch lange nicht, dass es wirklich so ist. Wie kann man das je von jemandem wissen?«
»Ich weiß nicht.« Darüber habe ich in letzter Zeit eine Menge nachgedacht. Ich weiß, wie mich Menschen sehen. Sie halten mich für die kleine Heilige. Die Leute sagen immer zu mir, dass ich wie ein Rauschgoldengel aussehe.
Aber wir beide wissen es besser, oder? Ich bin kein guter Mensch. Ich habe mich ehrenamtlich als Nachhilfelehrerin gemeldet, weil ich jemandem helfen wollte, und habe ihr dann nicht im Geringsten weitergeholfen. Denn ich wollte ihr gar nicht wirklich helfen. Ich wollte mir selbst helfen. Und ich war so schlecht als Nachhilfe, dass ich gefeuert wurde. Gefeuert von einem ehrenamtlichen Job. Das ist schon ziemlich schwach.
Als Bubbles starb, war Takey traurig, ich aber nicht. Ich heuchelte zwar Traurigkeit, aber eigentlich ließ es mich kalt.
Und dann ist da noch Wallace. Ich habe einen Menschen umgebracht. Aber immer wenn ich das jemandem zu erzählen versuche, nimmt es keiner ernst. Weil ich wie ein Rauschgoldengel aussehe, nicht wie eine Killerin. Die Einzige, die weiß, wie verdorben ich im tiefsten Innern bin, bist Du. Und möglicherweise Cassandra.
Also hat Norrie ja vielleicht Recht. Brooks wirkt wie ein supernetter Typ, aber vielleicht ist er das innerlich überhaupt nicht. Vielleicht ist er fies. Vielleicht plant er im Geheimen die Vernichtung der Menschheit. Woher soll man das wissen? Es ist wie in den Nachrichten – immer wenn einer durchdreht und jemanden umbringt, erzählen die Mutter des Killers und sogar seine Nachbarn, dass sie es nicht glauben können, weil er eigentlich nicht einmal einer Fliege etwas zu Leide tun könne. Wie bei dem, der die vier Leute im 7-Eleven erschossen hat – von seiner Mutter kam genau dieser Kommentar. Aber die Menschen sind tot. Das steht fest.
»Robbie meldet sich nicht. Ich habe Angst, dass er sauer ist«, sagte Norrie. »Wegen des Cotillon. Dass er nicht versteht, dass ich dort hinmuss, weil sich sonst alle aufregen.«
»Vielleicht ist er nicht der Richtige für dich, wenn er das nicht versteht.«
»Das sagen alle. Genau das behauptet Claire auch. Aber er ist der Richtige für mich. Das ist das Problem. Er versteht es nicht, weil er spürt, wie richtig wir füreinander sind, und in seinen Augen leugne ich das, indem ich mit Brooks zum Ball gehe.«
Für ein Mädchen, das die tollste Nacht seines Lebens vor sich hatte, sah sie wirklich traurig aus.
»Was glaubst du, warum Janes Tattoo nicht abgeht?«, fragte ich. Janes Freundin Bridget hatte einen Totenkopf und gekreuzte Knochen auf Janes Nacken gemalt und es ließ sich nicht abwaschen. Es hielt sich seit Wochen.
»Keine Ahnung«, meinte Norrie. »Vielleicht ist sie fürs Leben gezeichnet.«
Am Morgen des Cotillon begann sich das Haus mit Blumen zu füllen. Das Telefon klingelte und klingelte; Miss Maura war ständig am Telefon oder an der Tür im Einsatz oder sie erfüllte Takeys Bitte nach Schokoladenmilch oder seinen Befehl Hände hoch! , während Ginger durchs Haus stolzierte und alle mit ihrer herrischen Stimme herumkommandierte, vor allem Norrie. Jane schlich durch die Zimmer, warf einen Blick auf die Karten, die an die Blumen geheftet waren, und feixte. Ich bekam an diesem Tag auch Post – von Cassandra. Sie hatte den Brief im Lernzentrum abgegeben und sie hatten ihn an meine Adresse weitergeleitet.
Darin stand:
Liebe Sassy,
es tut mir leid, dass Du wegen meiner
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