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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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lebendig und mit ihrem Gatten und ihrer Tochter vereint. Und Leontes ist voller Reue, dass er je den Glauben in sie und seinen Freund verloren hat.«
    »Wie wird die Statue denn wieder lebendig?«, fragte Cassandra.
    »Durch Paulinas Zauber. Sie sagt: ›Musik erwecke sie; spielt! Es ist Zeit; steigt herab; seid nicht mehr Stein … hinterlasst dem Tod eure Starre.‹«
    »Und die Statue erwacht zum Leben.«
    Ich nickte.
    »Und was dann?«
    »Hermione sagt irgendwas in die Richtung: ›Ich habe darauf vertraut, dass dieser Tag käme, an dem meine geliebte Tochter gefunden und mein Gatte um Vergebung bitten würde.‹«
    »Und was dann?«
    »Dann sind alle glücklich. Ende.«
    Sie nahm das Buch und blätterte darin. »Gibt es eine Verfilmung?«
    »Keine Ahnung. Es ist nicht das bekannteste Stück von Shakespeare.«
    Wir machten uns an die Arbeit und an diesem Tag lösten wir tatsächlich ein paar knifflige Matheaufgaben.
    Als ich an jenem Nachmittag das Lernzentrum verlassen wollte, hielt mich der Mann am Empfang auf. »Larry möchte mit dir sprechen, Sassy.«
    Er deutete mit einem Kopfnicken in Richtung eines offen stehenden Konferenzraumes, in dem Larry Gant saß und Stapel von Arbeitsheften ordnete. Als ich hereinkam, sah er auf.
    »Du bist Sassy Sullivan, oder?« Ich nickte. »Gut, hör zu. Ich habe schlechte Nachrichten. Cassandra Higgins’ Mutter kam heute zu mir, nachdem sie Cassandra vorbeigebracht hatte, und sie war nicht glücklich.«
    »Nicht glücklich?« Mir wurde flau im Magen, so wie beim Achterbahnfahren, wenn es steil nach unten geht.
    »Ja. Sie behauptet, Cassandra lernt hier überhaupt nichts. Nach ihrer Aussage habt ihr zwei euch kaum mit Mathe beschäftigt. Sie sagt, ihr erzählt euch in der Stunde nur verrückte Geschichten. Stimmt das?«
    »Ähm, ja, es stimmt, aber Cassandras Mathenoten sind doch besser geworden.«
    »Das sagt Mrs Higgins auch. Aber sie sagt, das liegt daran, dass sie Cassandra zu Hause bei ihren Hausaufgaben hilft – nachdem Cassandra von dem zurückkommt, was eigentlich Nachhilfe sein soll.«
    »Oh.« Was hätte ich sonst sagen sollen? Ich hatte nichts zu meiner Entschuldigung vorzubringen. Meine Unfähigkeit in Mathe fiel mir mal wieder auf die Füße.
    »Dieses kleine Mädchen hat keine Zeit, hier herumzusitzen und sich deine Probleme anzuhören. Wenn du einen Seelenklempner brauchst, dann zahl dafür. Und ich schlage vor, du suchst dir jemand Qualifizierteren als eine Elfjährige.«
    »Wollen Sie damit andeuten, ich hätte ein Psychoproblem?«
    »Ich weiß überhaupt nichts von dir«, erwiderte Larry. »Du scheinst ein nettes Mädchen zu sein. Ich sage nur, wir können nicht zulassen, dass du herkommst und anderer Leute Zeit vergeudest. Wir müssen auf unseren Ruf als Bildungseinrichtung achten, verstehst du das?«
    In meiner Kehle bildete sich ein Kloß. Ich versuchte mich zu räuspern, aber meine Stimme klang trotzdem, als hätte ich einen Frosch im Hals. »Ja.«
    »Ich hoffe, das trifft dich nicht zu sehr, aber wir müssen dich von deiner Aufgabe entbinden. Ich weiß, du machst das ehrenamtlich, aber auch Ehrenamtliche müssen ihren Pflichten nachkommen.«
    »Ich weiß. Es tut mir leid. Ich habe ja versucht, Ihnen zu erklären, dass ich keine Ahnung von Mathe habe.«
    »Stimmt, ich hätte auf dich hören sollen. Ich dachte, du bist einfach bescheiden.«
    »Nein, ich hab die Wahrheit gesagt.«
    »Das ist mir jetzt auch klar. Trotzdem hättest du dich anstrengen können.«
    »Da haben Sie Recht. Ich geh dann jetzt.«
    Er nickte und wandte sich wieder dem Heftestapel zu. Ich lief so schnell wie möglich nach draußen, damit er mich nicht weinen sah.
    Ich setzte mich an die Bushaltestelle, öffnete den Reißverschluss meines Rucksacks und steckte den Kopf in das Mittelfach, um in Ruhe zu heulen. Ich schämte mich so sehr. Nicht, weil ich als Mathenachhilfe nichts taugte – das war nichts Neues für mich. Sondern weil ich Cassandra enttäuscht hatte. Weil ich kein guter Mensch war. Nun würde ich sie nicht mehr sehen. Und ich hatte mich nicht mal verabschieden können.
    Das war meine Strafe.

Zwölf
    Weihnachten rückte rasch näher, Norrie bereitete sich auf den Cotillon vor und das ganze Haus war in Aufregung. Eines Abends ging ich in ihr Zimmer hinauf, weil ich einfach nur am Fußende ihres Bettes liegen und lesen wollte, während sie ihre Hausaufgaben machte.
    Ich lag quer über dem Bett, sie lehnte sich gegen das Kopfteil, las und bohrte mir die Füße in die

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