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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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Jane. Pater Burgess erzählt mir, dass du Schwester Mary Joseph das Leben im Religionsunterricht zur Hölle machst. Ich brauche dich nicht zu fragen, ob das der Wahrheit entspricht; der verdorbene, schadenfrohe Ausdruck in deinen Augen sagt mir, dass die Situation sogar noch schlimmer ist, als ich angenommen habe. Wenn du nicht aufpasst, Jane, wird man dich der Schule verweisen. Was würdest du dazu sagen?«
    »Fände ich super!«, rief Jane. »Ich will sowieso auf eine staatliche Schule.«
    Du lachtest. »Unter diesen Kriminellen würdest du keine Minute durchhalten.«
    »Ha. Du kennst Jane nicht«, sagte Ginger gespreizt.
    »Ich will dieses Jahr nichts Schlechtes mehr über dich hören, Jane.«
    Jane sah Dich böse an und Du starrtest böse zurück. Zwei starke Charaktere maßen sich. Nach einem endlosen Augenblick wandte Jane den Blick ab. Diese Runde hast Du gewonnen. Aber bei Jane muss man sich immer auf die nächste Runde gefasst machen.
    »Dann kommen wir zu Norris.«
    Uff.
    »Dein Debüt. Hast du deine Begleiter für den Debütantinnenball schon gewählt?«
    »Na ja, Daddy-o und St. John«, sagte ich. »Das hast du ja vermutlich schon arrangiert.«
    »Ja, und dein dritter Begleiter wird Brooks Overbeck sein. Was ich wissen möchte, Norris, ist, ob du ihm bereits eine Einladung geschickt hast. Die Zeit vergeht.«
    »Noch nicht, Almighty.«
    »Und, worauf wartest du noch? Du hast doch nicht etwa vor, einen anderen jungen Mann zu fragen, oder?«
    Deine blauen Knopfaugen durchbohrten mich. Du warst mir auf der Spur, und Du wolltest sichergehen, dass ich das auch wusste.
    Bei diesen Teenachmittagen läuft eine Menge unter der Oberfläche ab, nicht wahr?
    »Bestimmt hat Brooks schon eine Art Annäherungsversuch gemacht, um dich wissenzulassen, dass er deine Einladung gern annehmen wird. Richtig?«
    »Na ja, er hat mich zu einer Tanzveranstaltung eingeladen –«
    »Klingt für mich wie ein Annäherungsversuch. Schick endlich diese Einladung ab.«
    Ich konnte nicht sprechen. Ich war wütend und ängstlich zugleich. Was glaubt sie, wer sie ist, dass sie mir vorschreiben will, wie ich leben soll? Es war bloß eine blöde Einladung zu einer blöden Tanzveranstaltung. Ich hatte nichts gegen Brooks Overbeck, aber es passte mir nicht, auf Befehl mit ihm ausgehen zu müssen. Als Nächstes würdest Du mir vermutlich erzählen, dass wir im Juni heiraten würden.
    »Wir waren bei Downs und haben die Einladungskarten bestellt«, warf Ginger ein, um einen Streit abzuwenden.
    »Mamie Overbeck hat schon allen erzählt, dass Brooks Norris zum Cotillon begleiten wird«, erklärtest Du mit Nachdruck. »Ich denke, sie hat es sogar dem Gesellschaftsreporter der Baltimore Sun gegenüber geäußert. Das bedeutet, dass es so sein wird. Wenn es nicht so kommt, ist Mamie verärgert, und dann bin ich verärgert. Es hieße, Brooks wäre verletzt und deine Einführung in die Gesellschaft wäre verpatzt, für immer besudelt von deinem Egoismus oder deiner Trägheit oder was immer dich davon abhält, deine Pflicht für die Familie zu erfüllen, Louisa Norris Sullivan.«
    Ich habe schon früher Deine Gardinenpredigten über mich ergehen lassen, Almighty, und manches Teetrinken bei Dir unter Tränen verlassen. Aber so wie an diesem Tag hatte ich mich noch nie gefühlt. Vielleicht liegt es daran, dass ich älter geworden bin, oder vielleicht hat es etwas mit der Veränderung durch den Schnelllesekurs zu tun, aber dieses Mal bist Du zu weit gegangen.
    Ich wusste, dass alles, was ich sagte, Deine Entschlossenheit nur verstärken und die Sache für mich nur weiter verschlimmern würde.
    »Hast du das verstanden, Norris?«
    »Verstanden«, krächzte ich.
    »Gut.« Du hast gelächelt, aber zufrieden warst Du nicht. »Nachdem wir nun die meisten Dinge geklärt haben, lasst uns diese köstlichen Sandwiches genießen, die Bernice für uns zubereitet hat. Noch etwas Tee, Virginia?«
    Die Schubert-CD verstummte. »Norris, wir brauchen Musik«, befahlst Du. »Leg La Sonnambula auf.«
    Ich fand die CD – Maria Callas als La Sonnambula  – und schob sie in den CD-Player. Lautstark erschallte Opernmusik in der riesigen alten Bibliothek. Ich stellte sie leiser.
    Während ich das riesengroße Porträt von Dir als jungem Mädchen anstarrte, das hoch oben an der Bibliothekswand hängt, würgte ich ein Gurkensandwich hinunter und schluckte meinen Tee. Du hast Dich im Reitkostüm mit Deinem geliebten Pferd King und zwei Spaniels zu Deinen Füßen malen lassen.

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