Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern
zu Zeit warf Wallace einen Blick in die Bibliothek und grüßte uns mit diesem kurzen Zwei-Finger-Handzeichen, als wolle er sagen: »Wallace Beckendorf meldet sich zum Dienst.«
Du saßest wie immer an der Stirnseite des Teetisches und hattest Buffalo Bill auf dem Schoß, aus der Anlage ertönte ein Streicherkonzert. Keine frivolen französischen Chansons an diesem Tag.
Wir küssten Dich zur Begrüßung auf die Wange und setzten uns. Ein paar Augenblicke lang hast Du uns nur böse angeblitzt und grimmig Buffalo Bills borstiges Schnauzerfell gestreichelt. Schließlich sagtest Du: »Guten Tag, Mädchen. Norris. Jane. Sas kia.« Du betonst Sassys Namen immer auf diese merkwürdig nachdrückliche Art, als würde er einen üblen Geschmack in Deinem Mund verursachen. Gefällt er Dir nicht? Einmal habe ich Dich naserümpfend sagen hören, Saskia klänge wie der Name einer europäischen Schauspielerin. Ginger hat zugestimmt. Der Unterschied ist bloß: Für Ginger ist das etwas Positives.
»Und Virginia. Die kein Mädchen mehr ist und sich endlich benehmen sollte, als wäre ihr bewusst, dass sie ein gewisses Alter erreicht hat und keine rehäugige Debütantin mehr ist. Ja, selbst sie bleibt nicht davon verschont.«
Ginger erblasste, aber ich bezweifle, dass sie überrascht war.
»Es geht mir um dieses unsägliche Kleid, das du da trägst«, sagtest Du. »Bist du nicht der Meinung, eine Frau deines Alters sollte ihre Knie bedecken?«
Vielleicht war Gingers Kleid tatsächlich ein bisschen kurz, aber hey, sie hat tolle Beine. Sie nahm schnell die Serviette vom Tisch und breitete sie über ihren Schoß.
Bernice trug das Teetablett herein und Du hast allen dampfenden Earl Grey in die Tassen geschenkt. Sassy nahm sich ein Sandwich. Obwohl Du ihren Namen hasst, ist Sassy offenbar die Einzige von uns, die Du nicht einschüchtern kannst. Abgesehen von den Jungs natürlich.
»Virginia, wie geht es meinem teuren Alphonse?«
»Es geht ihm ausgezeichnet«, antwortete Ginger. »Er tut dies und das, wie immer.«
»Das freut mich zu hören. Und, Mädchen, wie kommt ihr dieses Jahr in der Schule zurecht? Saskia?«
»Ziemlich gut, Almighty.« Zufälligerweise wusste ich, dass das nicht stimmte – Sassy stand kurz davor, in Mathe durchzurasseln –, aber ich würde mich hüten, das zu erwähnen und Dir damit Deine wunderbare Stimmung zu verderben.
»Jane?«
»Könnte nicht grandioser laufen.«
»Ich höre da einen sarkastischen Unterton in deiner Stimme, junge Dame. Bilde dir nicht ein, ich würde das nicht merken. Deine Leistungsübersicht kommt bald und dann werden wir sehen, wie grandios alles ist. Norris, wie ergeht es dir in deinem letzten Jahr an der alten St. Maggie’s?«
»So weit gut, Almighty«, erwiderte ich.
»Fein. Und nun. Ich habe mit euch vieren ein paar Dinge zu besprechen. Saskia zuerst. Was höre ich da, von wegen du wärst unsterblich?«
Sassy blinzelte. »Von wem hast du das denn gehört?«
»Von deinem kleinen Bruder, Theodore – als ich ihn davon abgehalten habe, den armen Bill hier zu quälen. Raus mit der Sprache.«
»Ich bin nicht unsterblich, Almighty. Jedenfalls höchstwahrscheinlich nicht. Ich hatte in letzter Zeit nur einen Haufen Unfälle und irgendwie bleibe ich immer unverletzt.«
Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nur, dass Sassy von einem Auto angefahren worden war, aber aus ihrem Mund hatte es völlig belanglos geklungen, als sei es nur ein leichter Aufprall gewesen. Und überhaupt schien alles mit ihr in Ordnung zu sein. Mir war nicht in den Sinn gekommen, sie könnte sich für unsterblich halten.
»Schätze dich glücklich, Kind. Du solltest vorsichtiger sein, damit du nicht mehr so viele Unfälle hast. Wir sind nicht unsterblich – außer in dem Sinne, dass nach unserem Tode unsere Seelen dank des Opfers unseres geliebten Herrn in den Himmel aufsteigen werden. Wenn wir Glück haben. Und Mädchen, die durch die Gegend laufen und gotteslästerliche Dinge tun, sind keine guten Kandidatinnen für den Himmel.«
»Nein, Ma’am.«
Jane verteilte Marmelade auf einem Toast. Dein Gesicht verdüsterte sich.
»Jane, wenn du nicht lernst, dein Messer manierlich zu halten, wird kein Mann dich je heiraten wollen.«
Jane hätte Dir das Messer am liebsten direkt unter die Nase gehalten – da bin ich ganz sicher –, doch sie legte es bloß auf ihren Teller und kaute demonstrativ undamenhaft auf ihrem Toast herum. Du hast Deine Verärgerung bewundernswert heruntergeschluckt.
»Also,
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