Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern
stand, warf sie einen Schatten auf sein Gesicht, trotzdem öffnete er die Augen nicht. Sie setzte sich rittlings auf ihn und stützte sich mit den Händen neben seinen Schultern auf. Er öffnete die Augen. Sie beugte sich herunter und verpasste ihm einen Kuss, bei dem sehr viel Zunge im Spiel war.
Brooks schnellte verdattert hoch und stieß einen unterdrückten Schrei aus: »Hey! Was –?« Es war ein Reflex. Seine Stirn knallte mit Wucht gegen Bibis Nase, die zu bluten anfing.
Bibi sprang erschrocken auf, rieb sich die Nase und starrte verwirrt auf ihre blutverschmierten Finger. Ryan und die anderen johlten und lachten. Brooks rubbelte sich die dünnen nassen Haare, sein Gesichtsausdruck ähnelte dem eines Schoßhündchens. Ich habe keine Ahnung, was alle an ihm finden, aber Bibi fährt voll auf ihn ab, genau wie Norries Freundin Claire und tausend andere Mädels. Manchmal fragte ich mich ( früher fragte ich mich; jetzt kennen wir ja die Antwort), ob Norrie, auch wenn sie nicht damit herausrückte und es nie zugab, wohl auch auf ihn stand. Selbst Bridget bekommt in seiner Nähe diesen dämlichen Gesichtsausdruck. Sie versucht, es vor mir zu verheimlichen, aber MIR BLEIBT NICHTS VERBORGEN.
»Oh, Bibi, tut mir leid«, sagte Brooks. Er bot ihr einen Zipfel seines Handtuchs an, damit sie sich Nase und Lippe abwischen konnte, aber so verteilte sie das Blut nur über ihr ganzes Gesicht. »Ich wusste nicht, dass du es bist. Was hast du eigentlich überhaupt auf mir gemacht?«
»Wann raffst du es endlich, Overbeck?«, dröhnte Ryan. »Die Tussis stehen auf dich.«
»Sie wurde von dem unwiderstehlichen Verlangen gepackt, Kinder von dir zu bekommen«, fügte Davis hinzu. »Simple Biologie.«
»Sie ist in einer Overbeck-Trance hier rübermarschiert«, sagte Ryan. »Ich muss die Overbeck-Babys haben … Muss Overbeck-Babys haben …«
Bibi starrte sie böse an. »Du hast mir eine SMS geschickt. Du hast mich aufgefordert –« Sie sah Brooks’ verständnislosen Blick und redete nicht weiter. »Was wird hier gespielt? Versucht hier jemand, mich zu verarschen?« Alle lachten, als sie in einer Art Verfolgungswahn von einem zum anderen sah. Na ja, von Verfolgungs wahn kann man eigentlich nicht sprechen, denn sie bildete es sich schließlich nicht ein. Jemand hatte es ja tatsächlich auf sie abgesehen.
»Bibi, das braucht dir nicht peinlich zu sein«, sagte Brooks. »Du kannst mich jederzeit küssen.«
Brooks wollte mit diesem Witz die Situation retten, aber da Bibis Sinn für Humor ziemlich beschränkt ist – was es noch lustiger macht, sie aufzuziehen –, bemerkte sie nicht, dass er ihr einen Ausweg anbot. Sie rannte zu Eliza Caton Bowies Grab zurück, um ihr Gesicht in Ordnung zu bringen.
Brooks sprang auf und wollte ihr helfen. »Äh, also, tut mir echt leid mit deiner Nase. Komm, ich helf dir …«
Norrie und Claire stiegen gerade noch rechtzeitig aus dem Wasser, um zu sehen, wie Bibi davonrannte und Brooks, der immer noch Entschuldigungen stammelte, hinter ihr herjagte. »Was ist denn hier los?«, erkundigte sich Norrie.
Ich zuckte mit den Achseln, ganz die Unschuld. »Du kennst doch Bibi.« Ich drehte einen Finger neben meinem Ohr hin und her, um anzudeuten, dass Bibi einen Knall hatte.
»Eigentlich nicht so«, antwortete Norrie. »Sie ist deine Freundin.«
»Sie war meine Freundin«, korrigierte ich sie.
»Wie dem auch sei.« Norrie streckte sich auf ihrem Handtuch aus und schloss die Augen. Sie war zu sehr mit ihrem superwichtigen Abschlussjahr-Debütantinnen-Krempel beschäftigt, um sich mit unbedeutenden Problemen kleiner Schwestern wie mir herumzuschlagen.
Zwei
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Das Böse kommt nach Amerika
Mein Vorfahre Francis Sullivan kam 1847, während der Großen Hungersnot, aus der Grafschaft Meath in Irland nach Baltimore. Er war einundzwanzig und Analphabet. Wie viele der irischen Einwanderer fand er Arbeit bei der B&O Railroad. Francis trank gern einen über den Durst. Wie die meisten Eisenbahner. Da sich dies zu einem Problem entwickelte – Schlägereien, zerbrochene Ehen, das Übliche –, gründeten einige Ehefrauen und Priester eine Abstinenzlervereinigung mit dem Namen
Gesellschaft des Geistlichen Durstes
. Es war ein bisschen wie während des Alkoholverbots in den Dreißigerjahren, bloß war das Trinken nicht per Gesetz verboten, sondern wurde mit strengem Stirnrunzeln abgestraft.
Francis Sullivan und seine Saufkumpane wurden von der
Gesellschaft des Geistlichen
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