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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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Louis-Vuitton-Tragegurt umgebunden hat. Kinderbilder, Halloweenkostüme, wir acht wie die Orgelpfeifen auf der Treppe aufgereiht, und mein Lieblingsfoto, ein lustiges Bild, das auf Nantucket aufgenommen wurde: sechs von uns auf einem Tandem. Norrie liegt vorn in einem Korb, Daddy-o und Ginger treten die Pedale, und St. John und Sully sitzen in Kindersitzen hintendrauf, ich bin ein acht Monate alter Fötus in Gingers kugelrundem Bauch.
    Daddy-o legte seine Lupe auf den Tisch. Es war ein komisches Gefühl, allein mit ihm in dem dunklen Haus zu sitzen. Das gab es schon lange nicht mehr.
    »Harter Tag, oder, Süße?«
    Ich nickte und nippte an meiner Milch.
    »Ich weiß, Almighty kann euch Kindern ganz schön zusetzen«, sagte Daddy-o. »Aber ihr Leben ist nicht immer einfach. Stell dir vor, du müsstest fünf Ehemänner begraben.« Er schüttelte den Kopf. »Ich wüsste weder ein noch aus, wenn eure Mutter sterben würde. Wirklich nicht.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich bin nicht gewohnt, dass Daddy-o so emotional ist. Seine Gefühle für Ginger verblüfften mich. Was tut sie denn für ihn? Es ist mir ein Rätsel.
    Ich liebe Ginger. Wenn sie sterben würde, wäre ich todtraurig und logisch würde ich sie vermissen. Sie kann ziemlich lustig sein. Aber es wäre nicht so, dass ich nicht ein noch aus wüsste . Ginger sorgt dafür, dass wir nicht zu abhängig von ihr sind – das ist Miss Mauras Job. Doch in dieser Nacht wurde mir bewusst, dass sie bei Daddy-o eine Ausnahme macht. Es ist wirklich von ihr abhängig … aus irgendeinem Grund.
    Und jetzt, Almighty, gebe ich Dir einen kleinen Eindruck, wie Dein Sohn wirklich zu Dir steht.
    »Was wäre, wenn Almighty stirbt?«, fragte ich. »Wärst du dann traurig?«
    »Sie ist meine Mutter«, antwortete Daddy-o. »Ich werde um sie trauern. Ich werde sie vermissen. Aber ich verrate dir ein Geheimnis.« Seine Blick fiel auf mein Milchglas. Ich schob es ihm zu und er nahm einen Schluck. »Ich habe Angst davor, was nach ihrem Tod aus der Familie wird. Sie ist unser Anker. Ich befürchte, wir werden im … Chaos versinken.«
    »Chaos?« Ich verstand nicht, was er meinte. Er schüttelte bloß den Kopf, als wolle er es nicht erklären.
    Ich dachte an die arme untötbare Sassy, die oben unruhig schlief. »Vielleicht wird Almighty nicht sterben. Vielleicht ist sie ja unsterblich.«
    »Nein«, erwiderte Daddy-o. »Obwohl – wenn irgendjemand Unsterblichkeit erlangen könnte, dann sicher Almighty. Aber ich wünsche es ihr nicht. Es wäre ein schrecklicher Fluch.«
    »Warum? Wäre es nicht toll zu wissen, dass man alles tun kann, ohne dass es Konsequenzen hat? Man könnte ohne Fallschirm aus Flugzeugen springen, im Meer weit rausschwimmen, immerzu Eis essen …«
    »Ja, schon, aber wie lange hättest du an alldem Spaß?«, fragte Daddy-o. »Dein Leben hätte keinerlei Bedeutung mehr. Das wäre eine Tragödie.« Er kippte den Rest meiner Milch hinunter und knallte das Glas auf den Tisch. »Ahhh«, seufzte er. »Wie läuft es mit deiner Suspendierung, Miss Blasphemie? Schön, mal eine Pause von der Schule zu haben, oder?«
    »Es ist in Ordnung«, sagte ich, obwohl ich es in Wirklichkeit einsam und langweilig fand.
    »Ich habe kein Problem damit, dass du dich mit den Nonnen angelegt hast. Dem kann man schwer widerstehen«, sagte Daddy-o. »Und ich finde es gut, dass du Autorität in Frage stellst. Aber was du dich fragen musst: Ist es das wert?«
    »Klar ist es das wert.«
    »Bisher vielleicht. Aber denk an die heilige Johanna. Sie hat für ihre Überzeugungen mit dem Leben bezahlt. Würdest du so weit gehen wollen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Wie weit würdest du denn gehen?«
    »Es ist mir egal, ob ich suspendiert werde. Ansonsten … kommt drauf an.«
    »Gute Antwort. Kleiner Ratschlag: Wähle deine Kriegsschauplätze mit Bedacht. Das ist etwas, worüber man nachdenken muss. Und noch was: Ich stimme nicht mit dir überein, dass es keinen Gott gibt. Willst du wissen, wie ich es rausbekommen habe?«
    »Von mir aus.« Ist Dir schon mal aufgefallen, dass Daddy-o an alles herangeht, als wäre es eine Matheaufgabe?
    »Also gut, wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt. Oder? Es gibt kein Richtig oder Falsch. Deine Taten haben keine Folgen. Es ist wie mit der Unsterblichkeit: Wenn es keinen Tod gibt, kannst du tun und lassen, was du willst. Es ist dasselbe. Kein Gott bedeutet keinen Tod. Doch der Tod existiert eindeutig. Wir waren heute gerade auf Wallace’

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