Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern
Zähler. Dann multipliziere die Nenner. Schreib das Zählerprodukt über das Nennerprodukt …« Mein Blick wurde glasig.
»Das Problem sind die Wörter, die sie verwenden – ›Zähler‹. ›Nenner«, sagte Cassandra. »Warum können sie nicht einfach sagen ›die Zahl oben‹ und ›die Zahl unten‹?«
»Du hast Recht. Warum tun sie das nicht?«
Larry Gant klopfte an die Tür. »Gut, Mädels. Für heute ist die Zeit um. Cassandras Mom wartet.«
»Wow, wir haben absolut nichts geschafft«, sagte Cassandra. Wenn sie es bloß nicht vor Larry gesagt hätte.
»Klar haben wir was geschafft«, widersprach ich fröhlicher, als ich mich fühlte. »Für den ersten Tag haben wir eine Menge geschafft. Bis nächste Woche.«
»Ja. Klar.«
Nachdem sie gegangen war, blieb ich in der Kabine sitzen und blätterte die Matheabenteuer durch. Das Buch war voller Comicillustrationen von mathematischen Fachbegriffen, die von einer Bleistiftfamilie nachgestellt wurden. Sie waren überhaupt nicht lustig.
Norrie wartete in der Eingangshalle auf mich. Sie lud mich an einem der Gourmetstände im Lexington Market zu einem Krabbenbrötchen ein, um meinen ersten Tag als Nachhilfelehrerin zu feiern. Ich verspeiste es, auch wenn ich wusste, dass ich es nicht verdient hatte.
Vier
Am nächsten Tag war wieder einmal Teetrinken bei Dir angesagt und ich erinnere mich an endlose Diskussionen über Brooks Overbeck und Norrie und Collegebewerbungen und den Cotillon. Mich interessiert das zwar alles, aber ich merkte, wie ich trotzdem abschaltete. Es war ein bewölkter, wenn auch warmer Nachmittag und durch die großen Glastüren zur Terrasse konnte ich Wallace sehen, der Raul bei Gartenarbeiten half. Er trug eine blaue Latzhose, sein kahler rosa Schädel war von einem Strohhut bedeckt. Als er mich erspähte, machte er seinen Zwei-Finger-Gruß. Ich liebte Wallace’ Gruß – es war, als würde er stumm »Hallo, Partner« sagen. Ich hätte gern zurückgegrüßt, aber damit hätte ich schlechte Tischmanieren bewiesen.
Ich wollte Wallace niemals verletzen – das weißt Du. Ich hatte ihn lieb. Er hat uns nie dieses Großvatergedöns aufgezwungen. Es gefiel mir, wie er schweigend neben Dir stand und voller Bewunderung zusah, wie Du Deine Güter verwaltet hast. Es gefiel mir, wie er darauf bestand, dass wir von Dir als unserer »Grandma« sprachen, auch wenn das nicht zu Dir passt.
Während Wallace draußen die Rosensträucher goss, hast Du Norrie angeboten, bei Bedarf Deine Beziehungen am Georgetown College spielenzulassen. Die Sonne war herausgekommen und Wallace wischte sich Schweißperlen von der hohen Stirn. Ich fragte, ob ich ihm etwas Eistee bringen sollte, und Du hast mir erlaubt aufzustehen.
Ich ging in die Küche. Bernice saß am Tisch und schaute sich eine Gerichtssendung an. Ich goss Tee über Eiswürfel, fügte eine Zitronenscheibe hinzu und frische Minze, keinen Zucker. »Süßer Tee ist was für Südstaatler«, sagst Du immer. Das bedeutet vermutlich, dass wir keine Südstaatler sind. Aber Du sagst auch: »Yankees reißen den Mund zu weit auf«, was wohl heißen soll, dass wir auch keine Yankees sind. Ich weiß nicht, was wir sind. Vermutlich was ganz Eigenes.
»Sag Mr Wallace, dass ich ein Putensandwich für ihn habe, falls er Hunger hat«, sagte Bernice, als ich mit dem Tee die Küche verließ.
»Aye, aye, Käpt’n.« Wir kicherten beide. Es ist ein alter Witz zwischen uns Kindern und Bernice. Keiner von uns konnte Deine frühere Haushälterin Mildred leiden – sie war dermaßen rechthaberisch und hochnäsig, dass wir sie hinter ihrem Rücken »Käpt’n« nannten. Das wusstest Du garantiert nicht. Kleines Zusatzbekenntnis.
Wallace war beim Schuppen zugange und verstaute gerade den Gartenschlauch. »Ist der Eistee für mich? Oh, vielen Dank, Liebes.« Er nahm den Hut ab und trank einen großen Schluck. »Hast du genug von den Frauengesprächen dadrinnen?«
Ich nickte. »Es wird schrecklich sein, wenn Norrie und Jane auf dem College sind und ich als Einzige zum Dienstagstee übrig bin. Nur Ginger und ich. Ich werde Takey ein Kleid anziehen und ihn zwingen müssen mitzukommen.«
»Takey sieht in einem Kleid bestimmt ganz süß aus.«
»Tut er wirklich. Als er kleiner war, haben Norrie und ich ihn überredet, unsere sämtlichen Lieblingskleider anzuziehen. Und ihm Lippenstift aufgetragen. Er sah wie eine Puppe aus. Jane hat ihm sogar ein altes Tutu angezogen und ihm Ballettschritte beigebracht.«
»Armer Junge. Wo
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