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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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sah zurück. Sie saß in ihrem Auto und beobachtete mich noch immer. Ich winkte erneut.
    Obwohl ich nichts spürte, schaute ich später in meinem Zimmer noch einmal nach, ob ich irgendwo verletzt war. Ich hatte den Kratzer am Ellbogen und diesen blauen Fleck von vorher. Das war alles.
    Am Montag darauf fuhr mich Norrie nach der Schule zu meiner ersten Nachhilfestunde zum Fayette-Street-Lernzentrum in der Innenstadt. »Ich geh auf einen Kaffee zu Starbucks und hol dich gegen fünf wieder ab«, sagte sie. »Aber ich weiß nicht, ob ich das jeden Montag so machen kann.«
    »Vielleicht nehme ich nächste Woche den Bus«, schlug ich vor.
    »Ja, ganz klar. Viel Spaß.«
    Ich hatte es ernst gemeint mit dem Bus, und sie meinte ernst, dass es wahrscheinlich nicht eintreten würde, aber ich verstand nicht, wieso. Ich bin fünfzehn, mehr als alt genug, um alleine Bus zu fahren. Als Du fünfzehn warst, bist Du wie ein wildes Pony durch die Stadt galoppiert – das hast Du uns jedenfalls immer erzählt. Doch bei mir denkt offenbar jeder, mir könnte etwas passieren, wenn ich auch nur alleine Bus fahre.
    Das Fayette-Street-Lernzentrum befindet sich inmitten einiger Läden nicht weit vom Lexington Market, an der Grenze zwischen der geschäftigen Innenstadt und dem unheimlichen, heruntergekommenen West-Baltimore. Ich ging hinein und meldete mich zum Dienst.
    »Du bist in der Zehnten, richtig?«, fragte der Mann an der Rezeption. Er hatte einen glatt rasierten Schädel und trug ein weißes Hemd, eine schmale blaue Krawatte und einen Brilli in einem Ohr. Auf seinem dicken Namensschild aus Plastik stand LARRY GANT. »Du wurdest schon einer Schülerin zugeteilt. Wir gehen davon aus, dass du den Grundstoff in Mathe beherrschst.«
    »Mathe?«, sagte ich. »Ich hatte mich für Englisch gemeldet. Ich habe auf meiner Anmeldung extra ›Alles außer Mathe‹ geschrieben. In Mathe bin ich unterirdisch.«
    Larry Gant nickte. »Kann ja sein, aber wir brauchen Mathenachhilfelehrer und deshalb gibst du Nachhilfe in Mathe. Du wirst mit einer Fünftklässlerin namens Cassandra Higgins arbeiten. Mit dem Mathestoff der Fünften wirst du doch wohl klarkommen, oder? Du bist in der Zehnten! Da hast du diesen Kinderkram längst hinter dir.«
    Sein gönnerhafter Ton ging mir auf die Nerven. Dass ich schlecht in Mathe bin, war kein Scherz von mir. Ich machte mir Sorgen um die arme Cassandra Higgins.
    »Gehört da auch Bruchrechnen dazu?«, erkundigte ich mich.
    »Ich geh mal davon aus.«
    »Dann bin ich aufgeschmissen.«
    »Ach was. Komm. Halt dich einfach ans Buch.« Er gab mir ein Arbeitsheft – Matheabenteuer , Lehrerausgabe – und fügte hinzu: »Die Ergebnisse stehen hinten drin. Du brauchst sie also nur zu erklären.«
    Genau davor hatte ich Angst – dass ich versuchen sollte, jemandem Mathe zu erklären. Angeblich ist es logisch, aber mir kommt es vor, als gäbe es Menschen, die es kapieren, und andere, die es eben nicht kapieren. Warum war ich nicht für Englisch eingeteilt? Ich mag die Fächer lieber, in denen es keine richtige Antwort gibt. Normalerweise bedeutet das nämlich, dass es auch keine falsche Antwort gibt.
    »Cassandra wartet in Zimmer sechs auf dich. Den Gang runter, dann nach links.«
    Ich lief den Gang hinunter – mit Neonröhren beleuchtet, genau wie Lula prophezeit hatte –, an Klassen- und Besprechungszimmern voller Schüler und Nachhilfelehrer vorbei, die in kleinen abgetrennten Kabinen lernten. Ich betrat einen Raum, der in vier Arbeitsecken unterteilt war, in jeder standen ein Tisch und zwei Stühle. Bis auf ein pausbäckiges Mädchen, das ungefähr elf war und eine Brille mit rotem Gestell trug, hielt sich hier niemand auf. Ihr Haar war zu ungefähr einem Dutzend eng am Kopf anliegenden Zöpfen geflochten, die von roten Perlen geschlossen wurden, sie trug ein rotes T-Shirt zu blauen Jeans und Adidas-Turnschuhe. Vor ihr auf dem Tisch lagen die Schülerausgabe von Matheabenteuer , ein roter Spiralblock und ein roter Stift.
    Ich ging auf den Tisch zu. »Hi. Ich bin Sassy Sullivan.«
    »Sssassy Sssullivan?« Sie war nicht die Erste, die sich über meinen superzischenden Namen lustig machte.
    »Sssso isssst essss«, antwortete ich. »Sssassy Sssullivan. Du bissst vermutlich Cassssandra Higginsss?«
    »Sssso isssst essss.«
    »Sassy und Cassie«, stellte ich fest. »Klingt wie eine Show auf dem Disney-Kanal.«
    »Nein. Ich heiße Cassandra. Niemand nennt mich Cassie.«
    »Auch gut.«
    »Bringst du mir Mathe bei?«
    »Mmh,

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