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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Bestimmung.
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    Neulich nachts an der Bastille im Kino diesen neuen Gangsterfilm mit de Niro und Al Pacino gesehen ( Heat ), die beiden bilden als Polizist und Verbrecher ein janusköpfiges Wesen, sie sind eins, nur in der zufälligen gesellschaftlichen Rollenverteilung Jäger und Gejagter – übrigens jagt zu Ende des Films auch der Verbrecher seinen Verfolger. Sie sind eins, das drückt sich unter anderem darin aus, daß die beiden sich buchstäblich wittern und wirklich aufspüren, sie kennen einander und alle möglichen Schritte des andern von innen her. Ein brutaler, technisch meisterlicher Unterhaltungsfilm der schwarzen Gattung, ein spektakuläres Fabrikat des Regisseurs Michael Mann; und vor allem anderen ein Duell der schauspielerischen Höchstklasse, ohne die beiden Hauptdarsteller wäre das Ganze eine Art bombastischer Dokumentarfilm über die hemmungsloseste Gewalt bei Bank- und Geldtransportüberfällen, Technik und Tem
po. Was künstlerisch fehlt, ermißt man, wenn man an Cassavetes denkt, etwa Tod eines chinesischen Buchmachers . Für mich war es bei allem Unterhaltungswert ein Leerlauf, mit Ausnahme der von den beiden Hauptdarstellern vorgelebten Charakterstudie. Was mich bei alldem merkwürdigerweise faszinierte, war die mitgelieferte amerikanische Mentalität, das von irgendwelchen Selbstbefragungen, Stimmungen, Grübeleien, Seelischem völlig unbelastete Machertum, das berühmte Tatdenken, hinter welchem sich ein verrückter Positivismus und eine ungebrochene Vitalität und insofern eine Unbelastetheit und wohl auch Freiheit inklusive unangeschlagenem Selbstbewußtsein verbergen und deklarieren. Man hat das Gefühl, daß diese Menschen ohne Gepäck auskommen, sie bedienen sich an der Welt, freihändig zupackend, in einer lässigen Pioniermentalität, die dem Recht des Stärkeren huldigt und mitleidlos funktioniert. Die Gangster, die ein jeder für sich eben noch in Tennisschuhen durch die Menge robbten und bei einer jener sagenhaft schönen Coffee-Ausschänken ihre Münze hinknallten, nachdem sie vom verschwitzten Mann im Unterhemd hinter der Theke das Bestellte behändigt haben, verwandeln sich ein paar Minuten später, nachdem sie ihre Masken übergezogen haben, in coole Fachleute des Tötens, sie fackeln nicht lange herum, sie rammen den Geldtransporter mit einem gigantischen Fernlaster und schießen die Panzertüren mit bestem Kriegsmaterial auf, mitten am Tag, am belebtesten Ort der Stadt, sie reißen die Mannschaft aus dem Innern des Transporters mit der Nachdrücklichkeit des gnadenlosen Überlegenen, und zwar nicht um die Leute zu knebeln oder vorübergehend stillzulegen, sondern um sie und damit mögliche Zeugen ein für allemal aus dem Weg zu schaffen, sie schlachten sie ab, gewissermaßen im Vorbeigehen. Das Ganze ist spitzenmäßig organisiert und bedient sich der besten Technologie. Sie räumen wirklich auf,
das ist Krieg, Vernichtungskrieg im Rahmen eines Beutezugs. Es geht nicht um Gut oder Böse, es geht um nackten Gewinn und ums Gewinnen, wie im Geschäft, es ist Geschäft, Business, es unterscheidet sich nur im Spektakel des blutrünstigen Gewaltanwendens von den gängigen Machenschaften der amerikanischen Gesellschaft, in der neben »Gott und Vaterland« als Wert nur das Geld und Moneymachen zählt, jeder, der es schafft, ist gottgefällig, der Versager ist Ausschuß und Dreck, er ist Amerikas unwürdig. Weil nur das Machertum zählt und das ganze tägliche Leben, was Technik und Komfort betrifft, so praktisch gemacht ist, zirkulieren die einzelnen, die den Mechanismus zu bedienen wissen, so lässig, daß man es als unbeschwert und echt frei ansehen könnte. Die Prioritäten sind eben anders als hierzulande, die Menschlichkeit ist anderswo situiert, in anderen Nischen, kodifizierten Verhaltensmustern. Ich kam mir in den USA immer wunderbar leicht vor, nicht nur im Sinne der unbeschwerten Möglichkeiten, sondern frei von innerem oder gefühligem oder sonstwie komplizierendem Ballast, wie ein ausgenommenes Huhn. Und dahinein paßt eben mein Boris beileibe nicht schlecht. Die Frage beim Ansehen solcher Filme oder bei der Lektüre amerikanischer Krimis ist immer, weshalb im Grunde der zwar sehr wohl korrumpierte und bestimmt zynische Polizist letztendlich auf der Seite des Rechts mitmischt und nicht auf der anderen. Reiner

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