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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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bekommt von Suhrkamp einen Vertrag und monatliche Vorschüsse zum Schreiben des Canto . Und gleich auch noch eine Summe, um seinen angeblichen »Auftrag« in Barcelona zu Ende zu bringen. Er fliegt ein drittes Mal hin und liquidiert seine Geschichte mit Antonita. Nun kann er das Buch schreiben. Das Buch gelingt in kurzer Zeit und frißt als Opfer seine Frau, seine Geliebte, in gewissem Sinne seine Kinder auf. Denn nun ist er aus der Familie ausgetreten. Er ist Schriftsteller geworden, alleinstehend, doch das Buch wird ein Mißerfolg. Und nun muß er für seine Freiheit und die genommenen Freiheiten zahlen. Er muß sich bis zum nächsten Buch acht Jahre als freier Kritiker und Journalist durchboxen, jetzt geht's in die Ketten. Er hat für seinen neuen Status einigen Nahestehenden viel Leid zugefügt.
    Man könnte das ganze riskante Unternehmen als Freisetzung oder Initiation deuten. Mithilfe der Musen der Unterwelt. Zu den Opfern zählen seine Frau, Antonita und in weiterem Sinne Maria. Das Ganze ist eine Kettenreaktion, und Rettung kommt verschiedentlich von einem »deus ex machina«. So habe ich es bislang immer interpretiert.
    Aus heutigem Abstand geht mir nicht nur die – für schweizerische oder bourgeoise Verhältnisse – nicht nur verwerfliche, in höchstem Grade schockierende, verachtenswerte Selbstsucht auf, sondern auch das Gefahrenmoment. Ohne »deus ex machina«, ohne Wunder, ohne eingreifende Retter – angefangen mit Hofer bis hin zu NZZ , Werner Weber und danach Unseld, um vom Schwiegervater und mich auslösenden Freund (Milo Albisetti) ganz zu schweigen – wäre
alles ganz anders gelaufen. Ich bewegte mich am Rande der Verkommenheit. Ich konnte nicht wissen, ob die Häutung gelänge, ob etwas in mir steckte. Ich war ein Spieler. Die Frage ist, wonach ich jagte, während ich so viel aufs Spiel zu setzen bereit war. Welche Fährte verfolgte der Hund ?
    Die Eskapaden sind begleitet von Schuldgefühlen und Selbstzerknirschung, der Protagonist ist sich seines jeweiligen Wagnisses, seiner Gefährdung bewußt. Warum ruft er sich nicht zur Räson? Sein Sichgehenlassen nimmt manische krankhafte Züge an. Il faut aller jusqu'au bout. Er will bis ans Ende gehen. Es ist wie eine Selbsterpressung: Ich lasse dich nicht, du segnetest mich denn. Sucht er den Nullpunkt? Um aus der Asche aufzusteigen? Erleuchtung? Den trunkenen oder »heilig trunkenen« Zustand? Das Sehendwerden. Oder wäre es die Inspiration? Die Notwendigkeit, nein, die Sünde, die den Druck für die schöpferische Revolte erzeugt? Auch für das Schöne. Auch für die Selbsterfindung. Oder einfach für den Aufbruch. Ein Einssein. Eine Einbindung. Offenbar vertraut er blind auf die Erweckung. Er ist insofern furchtlos oder ganz und gar bedenkenlos. Übrigens tankt er bei den Frauen, um die Befeuerung hervorzurufen, das Angehen der Laterne. Bei Frauen ankommen. Tu veux être materné sans cesse. Das ist es nicht oder ist nicht das Ganze. Es geht um den Funken, der das Funkeln erzeugt.
    Es geht immer um das Aussteigertum. Es geht um Gesundmagerung, um die Erreichung des Nullpunkts, um eine Selbstauslöschung, und das ganze Theater ist die Erzwingung der schöpferischen Notwendigkeit oder Unschuld.
    Die Gesundmagerung hat Ähnlichkeit mit dem entlaufenen Hund, der eines Tages von seiner fürchterlichen Streunerei zurückkehrt mit knochigen Flanken, erschöpften Lungen, hervortretenden Rippen, wo war er die ganze Zeit? Was war seine Jagd? Nun kann er liegen und träumen. Er war weg.
Er war in einer Leidenschaft. Er war frei. Er war wild. Wild hinter seinem Wild her. Er war ausgebrochen, der Kettenhund Sträfling. Er war auf Erlebnisjagd. Was war sein Erlebnis? Woran hat er gerochen? Was ging in ihn ein, was ging ihm auf? Dummer Kerl. Heruntergekommen, eine Jammergestalt. In seiner Leidenschaft hat er's gehabt oder war nahe daran. Er kann davon träumen.
    Meine Helden sind entgleisende Gefährte(n). Wenn man sagen würde, ihn hat die Leidenschaft gepackt, die aus einem alten verschütteten Instinkt frei wurde, wäre nach wie vor verschwiegen, was er erfahren hat auf seiner Expedition. Nur nicht im plombierten Wagen in den Tod reisen. Einmal wird er nicht wiederkommen. Er wird die Grenze überschreiten. Er wird fliegen können. Verendend sind ihm Flügel gewachsen. Er war drin. Er war mittendrin in seiner

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