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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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als ihren künftigen Mann eingeführt. Ich glaube, sie war damals schwanger, ich könnte es nicht mit Sicherheit behaupten, jedenfalls gab es ein unumstößliches Argument für eine Heirat, etwas das die Familie schlucken mußte, denn gern sah sie diese Liaison bestimmt nicht. Übrigens hatte man den fremden Maler wohl auch deshalb so weit vom Familiensitz entfernt und beinahe in Sicherheitshaft untergebracht, weil man ihn gern oder am liebsten verleugnet, wenn nicht verbannt hätte. Er lebte denn da oben am See in diesem idyl
lischen Abseits in einer Art Quarantäne, er schwamm gern, er durchschwamm den See, hin und zurück, eine eindrückliche Strecke, er war ja körperlich mehr als fit, sah man von den Zähnen ab. Diese wurden im übrigen schon bald von einem der besten Zahnärzte am Platze instandgesetzt. Kann mich noch an die junge Frau, damals in schwangerem Zustand, erinnern; und wie sie sich für das Ansehen ihres Mannes einsetzte, wie sie von Pontius bis Pilatus, wie man bei uns sagt, ging, um Kontakte zu knüpfen, die seiner Karriere nützlich sein könnten. Die Kontakte führten zu nichts, wenigstens zu keiner Ausstellung, zu keiner schnellen Anerkennung, der Mann blieb Außenseiter in unserer Stadt. Sie hatte ein Nagergesicht, wenn auch nur ein ganz klein wenig oder einen Schimmer davon, sonst war sie durchaus ansehnlich, wenn ich mir eine Liebesgeschichte auch nicht ohne weiteres vorstellen konnte. Es mag eine Trotzreaktion gegenüber der Familie und der ganzen hochansehnlichen Gesellschaftsschicht, aus welcher sie stammte, mit im Spiel gewesen sein. Warum denke ich an ihn als einen Paria? Nun, er gehörte nicht in ihre Kreise. Im übrigen war die junge Frau mit dem ganz leichten Einschlag eines Nagers im sonst hübschen Gesicht – vorstehende Zähne? – durchaus talentiert als Künstlerin, vielleicht mehr als das – ich habe mich hinterher davon überzeugen können. Sie besaß eine Atelierwohnung in Paris, hatte wohl da auch studiert, bevor sie unseren Freund kennenlernte.
    Ich fuhr nicht ungern zu ihm hinaus nach Wädenswil oder wie das treuherzige Bauerndorf heißt. Er war Komödiant und Prahlhans, das war wenigstens seine Maske, die er bei mir nach kurzem abstreifte. Danach war's ganz gemütlich zu zweit. Ich liebe Ateliers, der Malerhaushalt hat für mich etwas ausgesprochen Anspornendes, ein Aroma.
    Verschiedentlich hörte ich über Umwege von seiner Existenz, es hieß, er sei nach New York verzogen, zusammen mit sei
ner Frau. Deren Familie muß den Exodus finanziert haben. Ich stellte mir vor, sie hätten das unliebsame Familienanhängsel auf diese Weise abgeschoben, wenigstens außer Sichtweite gebracht. Ein, zwei Jahre später habe ich das Paar wiedergesehen. Sie meldeten sich bei mir, zurück auf Heimatbesuch, und führten mich zum Essen aus. Mein Freund war einigermaßen verwandelt. Halb abwesend in innerer Trance, frohlockend. Eine Bemerkung ist mir leitmotivisch in Erinnerung geblieben, in Neid gerahmt: »Als ich«, sagte er (und wir saßen uns in »Kaiser's Reblaube«, möglicherweise im darüberliegenden »Goethe-Stübli«, gegenüber), »in New York ankam, zitterte ich und bebte mir der Boden unter den Füßen, und das Beben setzte sich in meinen Gliedern bis ins Innerste fort, ich zitterte vor Erregung und mehr noch, weil mich die Erkenntnis durchschoß, daß ich in meiner Bestimmung, nein: daß ich an meinem Bestimmungsort angekommen sei. Ich wußte und zitterte. Dies zur Antwort auf Ihre Frage nach meinem Ergehen«, sagte er und biß mit strahlend neuem Gebiß in das zarte Fleisch eines erlesenen Filetstücks. Er hatte einen Mitwisserblick und Triumph im Gesicht. Im Kontrast dazu gab er sich jedoch in seinen sonstigen Äußerungen eher bescheiden, ganz im Unterschied zu seinen forcierten Prahlerei-Aktionen zu Anfang unserer Begegnung.
    Ich hörte von seiner Frau, die ein auffallend höfliches und nicht wie bisher überhebliches Wesen an den Tag legte, sie habe in NY zwei Kinder geboren, sie ohne Haushilfe besorgt, sie hätten schöne, doch eher harte Zeiten hinter sich. Sie schien eine einfache natürliche Frau geworden zu sein. Ihr Mann unterrichte ein bißchen, male wunderbar und stelle auch gelegentlich aus. Von ihrer eigenen Malerei erwähnte sie nichts.
    Ich habe sie noch einmal Jahre später getroffen,

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