Die Berghuette
Wein auf der Terrasse wieder.
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und genossen die friedvolle Abendstimmung. Im Schein der Kerze konnte Caro Felix‘ scharfes Profil deutlich erkennen. Schließlich räusperte sie sich und fragte vorsichtig: „Sind Sie mir noch sehr böse wegen heute Nachmittag?“
Felix lächelte und legte seine Hand auf die von Caro. „Nein, ich bin Ihnen ganz bestimmt nicht mehr böse. Schließlich haben Sie für Ihre Sturheit und Ihre freche Bemerkung ganz ordentlich bezahlt, meinen Sie nicht?“
Verlegen nickte Caro und wandte den Blick wieder zu Seite. Innerlich verfluchte sie sich dafür, das Thema noch einmal angeschnitten zu haben. Einen Augenblick später fragte Felix: „Tut’s noch weh?“
„Etwas“, war die verlegene Antwort, und Caro konnte sein Schmunzeln förmlich spüren.
„Dann habe ich offenbar ganze Arbeit geleistet. Glauben Sie jetzt aber bitte nicht, dass ich mich dafür entschuldige. Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.“ Er nahm einen Schluck Wein und stellte das Glas wieder auf den Tisch zurück. „Ich finde, Sie hatten das redlich verdient.“
Caro schwieg und kaute auf ihrer Unterlippe. Bloß gut, dass es so dunkel war, so dass man ihr rotes Gesicht nicht erkennen konnte! Die Hände fest auf einander gepresst, sagte sie dann mit gespielter Leichtigkeit: „Können wir das Thema wechseln?“
Felix musste laut lachen. Das Mädchen hatte Format! „Ganz wie Sie wollen“, entgegnete er charmant und schenkte beiden etwas Wein nach. „Nachdem wir uns heute doch zweifellos etwas näher gekommen sind, möchte ich Sie fragen, ob wir uns nicht duzen wollen?“
„Wenn Sie meinen …“, gab Caro zögerlich von sich, „aber ob sich das noch lohnt? Wenn die Brücke morgen wieder befahrbar ist, werde ich ganz bestimmt wieder heim fahren und Sie … dich hier nicht länger stören.“
„Das wäre aber mehr als schade!“, meinte Felix und legte seine Hand auf ihren Arm. „Ich habe doch gerade erst angefangen, mich an dich zu gewöhnen. Und du hast noch gar nichts von deinen Ferien gehabt. Außerdem hatte ich gedacht, wir könnten bei gutem Wetter morgen auf den Wetterstein wandern. Das ist eine leichte, angenehme Tour von ungefähr fünf Stunden, und Alois hat mir gesagt, dass das gestrige Unwetter dort knapp vorbeigezogen ist. Der Weg ist also sicher gut begehbar.“
Die Aussicht auf eine schöne Wanderung ließ Caro in ihrem Entschluss, wieder nach Hause zu fahren, schwankend werden. „Das klingt verlockend“, meinte sie zögernd.
„Also abgemacht, morgen gehen wir auf den Berg.“, sagte Felix erfreut. „Dann sollten wir aber langsam ins Bett gehen, damit wir morgen ausgeschlafen sind!“ Er schenkte den Rest Wein, der sich noch in der Flasche befand, gleichmäßig in beide Gläser und hob sein Glas. „Auf einen schönen Tag morgen!“
„Auf eine schöne Wanderung!“, erwiderte Caro und trank ihr Glas in einem Zug aus.
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Am nächsten Morgen klopfte Felix um sieben Uhr an Caros Türe. Als er ein verschlafenes „Jaaaa“ hörte, ging er hinein und stellte einen Becher mit heißen Kaffee auf das Nachtkästchen. „Aufgestanden, du Murmeltier!“, begrüßte er sie fröhlich, während sie sich den Schlaf aus den Augen rieb.
„Uuuuaaaah, es ist doch erst sieben!“, protestierte sie und wickelte die Decke fest um ihre Schultern.
„Nichts da!“, sagte Felix energisch. „Raus aus den Federn! Wir müssen uns noch Proviant herrichten, und dann fahren wir erst eine halbe Stunde mit dem Auto, bis wir loswandern können. Wenn du in zehn Minuten nicht unten bist, dann hole ich dich! Vergiss nicht, dass ich Neandertalerblut in den Adern habe!“
Caro kicherte. „Du willst mich an den Haaren nach unten schleifen? Ich wollte mir schon immer mal die Haare richtig kurz schneiden, weil es doch viel praktischer ist. Und eine Schere habe ich auch dabei.“
„Untersteh‘ dich, deine schönen Haare abzuschneiden! Dann kriegst du aber richtig Ärger mit mir!“, knurrte Felix und ging zur Tür. „Also bis gleich, wir haben heute noch einiges vor.“ Damit verließ er das Schlafzimmer.
Eine Viertelstunde später kam Caro ins Wohnzimmer und setze sich an den gedeckten Tisch. Während des Frühstücks besprachen sie, was sie als Proviant mit nehmen wollten, und später standen sie gemeinsam in der Küche, schmierten Brote, kochten Eier hart, wuschen Obst und packten schließlich alles in Plastikdosen.
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