Die Bernsteinhandlerin
anders. Anstatt eine
rasche Erleichterung auf dem Abort zu erfahren, verschied der Bischof noch in derselben Nacht, ohne dass ihm noch zu helfen gewesen wäre.«
»Dann war es Gottes Wille«, äuÃerte sich Erich im Brustton absoluter Gewissheit. Wer hätte auch daran zweifeln mögen?
»In Goldingen war man anderer Meinung! Man glaubte, ich hätte den Bischof im Auftrag einiger Bürger ermordet, die auch für Goldingen den Status einer unabhängigen Hansestadt nach lübischem Stadtrecht anstrebten. Dem Orden kam dieser Vorfall gerade recht, um die Bestrebungen der Patrizier niederzuhalten. Damals hatte sich gerade der Bund gegen Gewalt in PreuÃen gegründet, und die Ritterbrüder wollten etwas Vergleichbares in Livland unter allen Umständen verhindern!« Valdas stocherte mit seiner Messerspitze in einem der gebratenen Fische herum, um die Gräten zu entfernen. »Ich hatte groÃes Glück, denn ich bin früh genug durch einen wohlmeinenden Freund gewarnt worden. Mit nicht viel mehr als dem, was wir am Leib trugen, konnten meine Familie und ich aus Goldingen entkommen, aber seitdem gelte ich im Ordensland als ein entflohener Mörder, auf den in Goldingen das Henkersbeil wartet. Ich denke, jetzt versteht Ihr, weshalb ich nicht zurückkehren kann.« Er kraulte dem Wolf, der auch jetzt nicht von seiner Seite wich, das Fell, was sich das Tier gerne gefallen lieÃ. »Mittlerweile will ich auch nirgendwo anders hin â¦Â«
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Sie übernachteten in Valdasâ Haus. Barbara bereitete sich in der Nähe der Feuerstelle ihr Lager. Sie öffnete ihre langen Haare, um sie am Feuer einmal richtig trocknen zu lassen. Der Wolf hatte seinen Platz offenbar in der Nähe der Tür, und Valdas meinte, dass es keinen besseren Wächter gebe als ihn und man sich vollkommen auf ihn verlassen könne.
Am nächsten Morgen wurde Barbara durch zwei Männerstimmen geweckt, die sich laut auf Litauisch unterhielten. Sie stand auf. Von ihrer Kleidung hatte sie des Nachts nur die Stiefel abgelegt und sich dann in eine Decke gehüllt.
Die Tür des Hauses stand einen Spalt offen, und der Wolf war fort.
Barbara erkannte die Stimmen, auch wenn sie sich auf Litauisch fremdartig anhörten. Sie gehörten Valdas und Algirdas, wie sich bestätigte, als Barbara zur Tür ging, den Spalt etwas vergröÃerte und hinausblickte.
Die beiden Männer standen sich wild gestikulierend gegenüber. Sie schienen sich über irgendetwas nicht einig zu sein, und Barbara vermutete, dass es dabei um sie und Erich ging. Vielleicht hatte Algirdas einfach unvorsichtigerweise vorausgesetzt, dass Valdas bereit sein würde, sie durch das Niemandsland zu führen. Worin genau Valdas dem Wirt verpflichtet war, wusste Barbara natürlich nicht. Aber über die gegenseitigen Schulden schienen unterschiedliche Auffassungen zu bestehen.
Letztlich hing wohl alles irgendwie mit dem Bernstein zusammen. Barbara hatte den Verdacht, dass es Valdas war, der die Bernsteine, die in Polangen abgezweigt worden waren, nach Telsche brachte, wo sie vermutlich von einem Gewährsmann weitervermittelt wurden und auf diese Weise ihre Reise in die Häuser der Reichen und Mächtigen in ganz Europa antraten â nur dass dieser Weg an den Bernsteinvögten des Ordens vorbeiführte.
»Da sollten wir uns nicht einmischen.«
Barbara schrak zusammen. Sie hatte Erich nicht bemerkt, der plötzlich hinter ihr aufgetaucht war.
»Erich!«
»Ich wollte Euch nicht ängstigen.«
»Dazu wärt Ihr wohl auch nicht in der Lage. SchlieÃlich weià ich um Eure Ritterlichkeit. Und in Eurer Gegenwart fühle ich mich sicher.«
»Es freut mich, dass Ihr das sagt.«
»Es ist nur das, was ich empfinde.«
Nein, dachte sie, das war nicht die Wahrheit. Was sie gesagt hatte, war nur der lächerlich kleine Teil von dem, was sie empfand. Der Teil nämlich, den sie sich zu sagen traute. Ihre Augen begegneten einem ruhigen Blick, und sie fragte sich, wie lange sie es noch aushalten könnte, in der Nähe dieses Mannes zu sein, zu dem sie sich so hingezogen fühlte und der doch durch eine unsichtbare ständische Mauer für sie unerreichbar schien.
Inzwischen kehrten Valdas und Algirdas zurück.
»Ich werde Euch führen, so wie Algirdas es von mir gefordert hat und wie Ihr es wünscht!«
»Ich danke Euch«, sagte Barbara. »Und Euer Schaden
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