Die Berufung
zu tun war, doch das stellte natürlich keine Überraschung dar. Ihre Vorschläge seien alle zu teuer, wiederholte Nat gebetsmühlenartig. Er hörte zu, wie sie diskutierten. Einige hatten recht vernünftige Ideen, andere gaben sich als Radikale. Die meisten gingen davon aus, dass sie mehr über Wahlkampf wussten als die anderen, und alle hielten es für selbstverständlich, dass ihre Strategie, auf die sie sich erst noch einigen mussten, von McCarthys Team umgesetzt werden würde.
Nat verschwieg ihnen ein paar deprimierende Neuigkeiten. Am Morgen hatte ein Reporter aus Biloxi mit ein paar Fragen angerufen. Er recherchierte gerade einen Artikel über das brandaktuelle Thema gleichgeschlechtliche Ehe. Während des zehnminütigen Interviews erzählte er Nat, dass der größte Fernsehsender an der Küste Fisks Leuten Werbeminuten zur besten Sendezeit im Wert von einer Million Dollar verkauft hatte. So viel war in einem politischen Wahlkampf angeblich noch nie für Werbezeit gezahlt worden.
Eine Million Dollar an der Küste bedeutete, dass für den Rest des Marktes mindestens genauso viel gezahlt wurde.
Die Neuigkeit war so besorgniserregend, dass Nat überlegte, ob er es Sheila sagen sollte. Im Moment tendierte er dazu, es für sich zu behalten. Und den Prozessanwälten würde er es mit Sicherheit nicht auf die Nase binden. Diese Summen waren so schwindelerregend hoch, dass sie die Moral der Prozessanwälte untergraben konnten.
Bobby Neal, der Präsident des MTA, schlug schließlich etwas vor, das nicht viel kosten würde. Er wollte eine E-Mail an die achthundert Mitglieder des Verbands schicken, in der er die Situation erklärte und zum Handeln aufrief. Jeder Prozessanwalt sollte (1) eine Liste mit mindestens zehn Mandanten erstellen, die einen Scheck über einhundert Dollar ausstellen wollten und konnten, und (2) eine weitere Liste mit Mandanten und Freunden erstellen, die bereit waren, von Tür zu Tür zu gehen, um Wahlkampf für Richterin McCarthy zu machen, und am Wahltag an den Urnen zu helfen. Die Unterstützung an der Basis würde entscheidend sein.
Als die Sitzung fast zu Ende war, stand am unteren Ende des Tisches Willy Benton auf und zog die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Er hielt ein Stück Papier in der Hand, dessen Vorder- und Rückseite mit Kleingedrucktem gefüllt war. »Das ist ein Wechsel für einen Kredit bei der Gulf Bank in Pascagoula«, verkündete er, während sich einige der Teilnehmer überlegten, ob es nicht besser wäre, sich mit einem Hechtsprung unter den Tisch zu retten. Benton dachte in großen Maßstäben und war für seinen Hang zur Theatralik bekannt. »Eine halbe Million Dollar«, sagte er langsam. Die Wörter hingen wie Blei in der Luft. »Für die Kampagne zur Wiederwahl von Sheila McCarthy. Ich habe den Wechsel bereits unterschrieben und werde ihn jetzt um den Tisch gehen lassen. Wir sind zu zwölft. Es sind zehn Unterschriften notwendig, damit er gültig ist. Jeder haftet für fünfzigtausend.«
Totenstille. Blicke wanderten von Gesicht zu Gesicht. Einige von ihnen hatten bereits mehr als fünfzigtausend Dollar gespendet, andere erheblich weniger. Einige würden im nächsten Monat fünfzigtausend für Kerosin ausgeben, andere stritten sich mit ihren Gläubigern herum. Doch unabhängig von ihrem Kontensaldo hätte jeder Einzelne von ihnen den kleinen Scheißkerl am liebsten auf der Stelle erwürgt.
Benton gab den Wechsel an seinen zur Salzsäule erstarrten Nachbarn links von sich weiter, einen Anwalt, der keinen Firmenjet besaß. Zum Glück sind solche Momente im Leben eines Menschen eher selten. Der Mann hatte die Wahl: Entweder er unterschrieb und bewies damit, dass er ein ganzer Kerl war, der auch einmal ein Wagnis einging. Oder er gab das Stück Papier ohne seine Unterschrift weiter. In diesem Fall konnte er gleich nach Hause gehen und Immobilienmakler werden.
Alle elf unterschrieben.
28
Darreil Sackett lautete der Name des Perversen. Als man ihn in Mississippi zum letzten Mal gesehen hatte, war er siebenunddreißig Jahre alt gewesen und hatte in einem County-Gefängnis darauf gewartet, dass ihm wegen Kindesmissbrauchs der Prozess gemacht wurde. Die passende Verbrechervisage hatte er. Das Gesicht mit der hohen, fliehenden Stirn, den durch dicke Brillengläser vergrößerten, ausdruckslosen Insektenaugen, dem ungepflegten Stoppelbart, der bestimmt eine Woche lang keine Rasierklinge gesehen hatte, und der dicken Narbe am Kinn sah aus wie der personifizierte
Weitere Kostenlose Bücher