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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Schrecken aller Eltern und gesetzestreuen Bürger. Seine Laufbahn als bekannter Pädophiler hatte er mit sechzehn Jahren begonnen, als er zum ersten Mal festgenommen wurde. Danach folgten zahlreiche andere Verhaftungen. Mindestens vier Mal war er in vier verschiedenen Bundesstaaten verurteilt worden.
    Den registrierten Wählern von Mississippi wurde Sackett mit seiner Furcht einflößenden Fratze und der widerwärtigen Vorstrafenliste in einem brillanten Direktmailing einer weiteren, bisher nicht in Erscheinung getretenen Organisation namens Victims Rising vorgestellt. Das zweiseitige Schreiben enthielt ein Profil des Straftäters und eine Auflistung aller Punkte, in denen das Rechtssystem jämmerlich versagt hatte.
    »Warum ist dieser Mann auf freiem Fuß?«, wollte der Brief wissen. Weil Richterin Sheila McCarthy seine Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs in sechzehn Fällen aufgehoben hatte. Vor acht Jahren hatte eine Jury Sackett für schuldig berunden. Der Richter hatte ihn zu lebenslänglich ohne Bewährung verurteilt. Sein Anwalt legte - auf Kosten des Steuerzahlers - Berufung beim Supreme Court ein, und »dort fand Darreil Sackett bei Richterin Sheila McCarthy ein offenes Ohr«. McCarthy kritisierte die anständigen, hart arbeitenden Ermittler, die Sackett ein volles Geständnis abgerungen hatten. Sie tadelte die ihres Erachtens vorschriftswidrigen Durchsuchungsmethoden und die unrechtmäßige Beschlagnahmung von Beweismaterial. Sie hackte auf dem hoch angesehenen, unerbittlich gegen das Verbrechen vorgehenden Richter der ersten Instanz herum, weil er das Geständnis und das Material aus Sacketts Wohnung zugelassen hatte. (Die Geschworenen waren sichtlich erschüttert gewesen, als sie sich Sacketts Sammlung von Kinderpornografie ansehen mussten, die von der Polizei bei einer »gerechtfertigten« Durchsuchung beschlagnahmt worden war.) Obwohl sie die Taten des Angeklagten ihrer eigenen Aussage zufolge abstoßend fand, sah sich McCarthy angeblich gezwungen, seine Verurteilung aufzuheben und die Sache zur Neuverhandlung an ein Gericht unterer Instanz zurückzuverweisen.
    Sackett war vom Staatsgefängnis zurück ins Gefängnis von Lauderdale County verlegt worden, wo er eine Woche später ausbrach. Seitdem hatte man nichts mehr von ihm gehört. Nun konnte er weiter sein Unwesen treiben und unschuldige Kinder quälen.
    Der letzte Absatz endete mit der üblichen Tirade gegen liberale Richter. Das Kleingedruckte enthielt die routinemäßige Genehmigung durch Ron Fisk.
    Bestimmte relevante Fakten wurden geflissentlich nicht erwähnt. Erstens hatte der Supreme Court das Urteil gegen Sackett mit acht Stimmen zu einer aufgehoben und es an die untere Instanz zurückverwiesen. Das Vorgehen der Polizei war so unerhört gewesen, dass vier andere Richter ähnlich lautende Stellungnahmen wie Sheila McCarthy verfasst hatten, in denen sie das erzwungene Geständnis und die verfassungswidrige Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss noch schärfer verurteilten. Die einzige Gegenstimme kam von Richter Romano, der noch nie für die Aufhebung eines Urteils in einem Strafverfahren gestimmt hatte und sich insgeheim in seinem irregeleiteten Geist geschworen hatte, das auch nie zu tun.
    Zweitens war Sackett tot. Er war vier Jahre zuvor bei einer Schlägerei in einer Bar im Alaska ums Leben gekommen. Die Nachricht von seinem Ableben schaffte es nur mit Mühe nach Mississippi, und als sein Fall in Lauderdale County zu den Akten gelegt wurde, fiel das keinem einzigen Reporter auf. Barry Rineharts gründliche Nachforschungen hatten die Wahrheit zwar zutage gefördert, aber das hatte nicht viel zu sagen.
    Die Fisk-Kampagne scherte sich nicht mehr um die Wahrheit. Der Kandidat war zu beschäftigt, um sich um Details zu kümmern, und vertraute Tony Zachary blind. Der Wahlkampf war für ihn zum Kreuzzug im Auftrag einer höheren Macht geworden. Wenn dabei Tatsachen ein wenig verfälscht oder gar ignoriert wurden, war das durch die Bedeutung seiner Kandidatur gerechtfertigt. Außerdem war Politik ein schmutziges Geschäft, und die andere Seite spielte mit Sicherheit auch nicht fair.
    Barry Rinehart hatte sich noch nie für solche Kleinigkeiten wie die Wahrheit interessiert. Ihm ging es nur darum, sich nicht beim Lügen erwischen zu lassen. Die Geschichte von dem wahnsinnigen Darreil Sackett, der ungehindert sein Unwesen trieb, war viel schockierender, wenn der Mann noch am Leben war. Es mochte ein angenehmer Gedanke sein, dass Sackett tot war,

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