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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Konten haben?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Finden Sie es heraus. Ich will wissen, wie hoch die Kredite sind, zu welchen Konditionen sie aufgenommen wurden, alles.«
    »Verstanden.«
    Es gebe kein Patentrezept, dieses Problem zu behandeln, fuhr Ratzlaff fort, seiner Linie folgend. Der Damm sei gebrochen, die Flut nicht mehr aufzuhalten. Die Anwälte der Gegenseite würden aggressiv zuschlagen, Kranes Kosten für juristischen Beistand sprunghaft ansteigen, womöglich auf einhundert Millionen pro Jahr. Die Verhandlung der nächsten Klage beginne in acht Monaten. Dasselbe Gericht, derselbe Richter. Das nächste spektakuläre Urteil, das könne noch lustig werden.
    Carl schaute auf die Uhr und murmelte vor sich hin, er müsse telefonieren. Er stand auf, lief im Büro auf und ab und trat schließlich an das nach Süden gehende Fenster. Das Trump Building erregte seine Aufmerksamkeit. Die Adresse lautete 40 Wall Street, und es lag in unmittelbarer Nähe der New Yorker Börse, wo die Aktie von Krane Chemical bald in aller Munde sein würde. Investoren würden das sinkende Schiff verlassen, Spekulanten lüstern auf die Beute starren. Was für eine grausame Ironie des Schicksals, dass er sich nun gegen die Aasgeier wehren musste. Er, der große Carl Trudeau, der so oft schadenfroh zugesehen hatte, wenn ein glückloses Unternehmen ums Überleben kämpfte. Wie oft hatte er den Einbruch einer Aktie selbst herbeigeführt, damit er wie ein Aasgeier herabstoßen und sie für einen Spottpreis kaufen konnte? Das Fundament seines Rufs waren solche ruchlosen Manöver.
    Wie schlimm würde es kommen? Das war die große Frage, die sofort zur nächsten führte: Wie lange würde es dauern?
    Man musste abwarten.
5
    Tom Huff zog seinen besten dunklen Anzug an und entschloss sich nach reiflicher Überlegung, einige Minuten zu spät an seinem Arbeitsplatz bei der Second State Bank zu erscheinen. Traf er früher ein, hätte es so gewirkt, als könnte er es gar nicht abwarten, seinen Triumph auszukosten. Doch vor allem kam es ihm darauf an, dass alle anderen schon da waren, wenn er die Bank betrat - die alten Schalterbeamten im Erdgeschoss, die süßen Sekretärinnen im ersten Stock und die anderen »Vizes«, seine Konkurrenten, im zweiten Stock. Huffy wollte seinen Auftritt vor möglichst großem Publikum zelebrieren. Er war das Risiko mit den Paytons furchtlos eingegangen - dies war sein großer Tag.
    Tatsächlich lief alles anders. Die Schalterbeamten ignorierten ihn, die Sekretärinnen zeigten ihm die kalte Schulter, und seine Konkurrenten grinsten so tückisch, dass er misstrauisch wurde. Auf seinem Schreibtisch fand er eine mit »Dringend!« überschriebene Nachricht, die ihn aufforderte, umgehend in Mr Kirkheads Büro vorbeizuschauen. Irgendetwas stimmte nicht, und Huffys Selbstbewusstsein schwand dahin. So viel zum Thema triumphaler Auftritt. Wo lag das Problem?
    Mr Kirkhead wartete in seinem Büro, bei offener Tür, was immer ein böses Omen war. Der Boss hasste offene Türen, prahlte sogar mit seinem »Führungsstil der geschlossenen Tür«. Er war ungehobelt, sarkastisch, sogar zynisch und fürchtete sich vor seinem eigenen Schatten. Vielleicht war es gut, dass man ihn wegen der geschlossenen Tür selten sah.
    »Setzen Sie sich«, fuhr er seinen Untergebenen an, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, »Guten Morgen«, »Hallo« oder gar »Glückwunsch!« zu sagen. Er hockte hinter seinem beeindruckenden Schreibtisch, den kahlen Schädel dicht über ein paar Papiere gebeugt.
    »Wie geht's denn so, Mr Kirkhead?«, säuselte Huffy, obwohl er am liebsten »Mr Arschgesicht« gesagt hätte, was er ständig tat, wenn der Boss nicht zugegen war. Selbst die alten Knaben im Erdgeschoss nannten ihn manchmal so.
    »Großartig. Haben Sie die Payton-Akte dabei?«
    »Nein, Sir. Niemand hat mich gebeten, sie mitzubringen. Stimmt was nicht?«
    »Zweierlei, wo Sie schon davon reden. Zuerst wäre da der Kredit, den wir diesen Leuten gewährt haben. Vierhunderttausend Dollar, für die es praktisch keine Sicherheiten gibt und deren Rückzahlung längst fällig gewesen wäre. Das ist mit Abstand der faulste Kredit, den wir laufen haben.«
    Er sagte »diese Leute«, als wären Mary Grace und Wes Payton Kreditkartendiebe.
    »Eine Neuigkeit ist das nicht, Sir.«
    »Was dagegen, wenn ich ausrede? Zweitens haben wir jetzt diese fast schon obszöne Summe, die das Gericht ihnen zugesprochen hat. Wahrscheinlich soll ich mich darüber freuen, weil ich

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