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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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lassen uns beobachten. Vertraut niemandem. Sprecht mit niemandem. Aus dieser Kanzlei dringt nichts nach draußen. Alle Papiere landen im Reißwolf. Sobald wir es uns leisten können, beauftragen wir nachts einen Sicherheitsdienst. Kurzum, haltet die Augen offen und passt gut auf.«
    »Spannend«, sagte Vicky. »Wie im Kino.«
    »Noch Fragen?«
    »Ja«, sagte Rusty. »Können Sherman und ich wieder anfangen, Unfallopfer zu jagen? Nach vier langweiligen Monaten brauche ich ein bisschen Abwechslung.«
    »Ich war seit Wochen in keiner Notaufnahme mehr«, fugte Sherman hinzu. »Allmählich vermisse ich die Sirenen der Krankenwagen.«
    Es war nicht ganz klar, ob sie Witze machten oder nicht, aber die Stimmung war gut, und die anderen lachten. »Eigentlich ist mir egal, was ihr tut«, sagte Mary Grace schließlich. »Ich möchte nur nicht alles wissen.«
    »Das war's dann«, sagte Wes. »Heute ist Freitag. Ab Mittag haben alle frei. Wir machen den Laden dicht und sehen uns am Montag.«
     
    Nachdem sie Mack und Liza von der Schule abgeholt hatten, gab es Fast Food zum Mittagessen. Anschließend fuhren sie eine Stunde über Land in Richtung Süden, bis sie durch die Bäume den Lake Garland sahen. Die Straße wurde schmaler und war schließlich nicht mehr asphaltiert. An ihrem Ende stand auf Pfählen, direkt über dem Wasser und umgeben von Wäldern, das Blockhaus. Vor der Veranda gab es einen kurzen Steg, dahinter kilometerweit nichts als Wasser. Von Menschen war nichts zu sehen, weder auf dem See noch sonst wo.
    Das Blockhaus gehörte einem befreundeten Anwalt aus Hattiesburg, für den Wes einst gearbeitet und der es abgelehnt hatte, sich in den Schlamassel in Bowmore hineinziehen zu lassen. Bis vor achtundvierzig Stunden schien das eine kluge Wahl gewesen zu sein. Jetzt konnten beträchtliche Zweifel an seiner Entscheidung aufkommen.
    Ursprünglich hatten sie vorgehabt, die deutlich weitere Fahrt nach Destin auf sich zu nehmen und ein langes Wochenende am Strand zu verbringen. Aber sie konnten es sich einfach nicht leisten.
    Nachdem sie das Auto ausgepackt hatten, nahmen sie das geräumige Blockhaus mit dem riesigen Wohnzimmer in Augenschein, das Mack für perfekt geeignet hielt, um dort in der kommenden Nacht zu »campen«.
    »Wir werden sehen«, sagte Wes. Es gab drei kleine Schlafzimmer im Erdgeschoss, und er hatte vor, die Nacht in einem bequemen Bett zu verbringen. An diesem Wochenende mussten sie sich richtig ausschlafen. Und sich um die Kinder kümmern.
    Wie versprochen fand sich die Angelausrüstung in einem Abstellraum unter der Veranda. Das Boot hing an einer Winde am Ende des Stegs, und die Kinder beobachteten aufgeregt, wie Wes es zu Wasser ließ. Mary Grace brachte die Rettungswesten und achtete darauf, dass sie korrekt angelegt wurden. Eine Stunde nach ihrer Ankunft saß sie gemütlich unter einer Decke in einem Liegestuhl auf der Terrasse. Mit einem Buch in der Hand beobachtete sie, wie das Boot mit den dreien - kleine Pünktchen aus dieser Entfernung - vor dem blauen Horizont dahinglitt. Sie wollten Brassen und Barsche fangen.
    Es war Mitte November, rot und gelb gefärbte Blätter fielen, wurden vom Wind hinweggetragen. Sie lagen auf dem Dach des Blockhauses, auf dem Steg und auf dem Wasser. Es war völlig still. Das kleine Boot mit dem Außenbordmotor war zu weit weg. Eine sanfte Brise ging. Vögel und andere Tiere schienen im Moment woanders zu sein. Vollkommene Stille, ein seltenes Erlebnis heutzutage, aber in diesem Moment von unschätzbarem Wert. Sie klappte das Buch zu, schloss die Augen und versuchte, an etwas zu denken, das nichts mit den Ereignissen der letzten Monate zu tun hatte.
    Wo würden sie in fünf Jahren sein? Sie konzentrierte sich auf die Zukunft, weil die jüngste Vergangenheit so eng mit dem Baker-Prozess verflochten war. Mit Sicherheit würden sie in einem Haus wohnen, obwohl sie nie wieder ihre Zukunft durch einen fetten Kredit für ein protziges kleines Schloss in der Vorstadt gefährden würden. Sie wollte ein Haus, sonst nichts. Ausländische Autos, teure Büroräume und all die anderen Dinge, die ihr einst wichtig erschienen waren, bedeuteten ihr nichts mehr. Sie wollte für ihre Kinder da sein und sie in einem eigenen Haus großziehen.
    Von der Familie und finanziellen Fragen abgesehen, wünschte sie sich mehr Anwälte. Die Kanzlei würde wachsen, und sie sah vor ihrem geistigen Auge etliche intelligente und talentierte Anwälte, die nichts anderes taten, als brutale

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