Die Berufung
dem Zweck gepumpt, um den Prozess gegen Krane Chemical zu fuhren.
»Vierhunderttausend«, murmelte Carl. Bis jetzt hatte er fast vierzehn Millionen für die Verteidigung in dem verdammten Prozess bezahlt.
Leere Konten, gesperrte Kreditkarten. Andere Mandanten (außer den Ortsansässigen) waren angeblich frustriert, weil sich niemand um sie kümmerte.
Keine anderen gewonnenen Prozesse, die der Erwähnung wert wären. Die Schadenersatzsummen reichten nicht einmal an eine Million Dollar heran.
Zusammenfassung: Die beiden waren total verschuldet und standen am Rand des Abgrunds. Ein kleiner Schubs, und sie stürzten hinein. Strategie: Das Berufungsverfahren in die Länge ziehen, es immer wieder verzögern. Massiven Druck auf die Bank ausüben. Mögliche Übernahme von Second State, sofort die Schulden einfordern. Dann war die Insolvenz unvermeidlich. Das würde sie von der Berufung ablenken. Außerdem würden die Paytons nicht in der Lage sein, sich um ihre anderen ungefähr dreißig Prozesse gegen Krane zu kümmern. Neue Mandanten mussten vermutlich abgelehnt werden.
Resultat: Diese Klitsche konnte vernichtet werden.
Das Memo trug keine Verfasserangabe, was nicht weiter überraschend war, doch Carl wusste, dass es ein oder zwei von Ratzlaffs Männern fürs Grobe zusammengestellt hatten. Er würde es herausfinden und die gute Arbeit durch eine Gehaltserhöhung prämieren.
Der große Carl Trudeau hatte riesige Konglomerate demontiert, feindliche Übernahmen inszeniert, illustre CEOs gefeuert, ganze Industrien umgekrempelt, Banker abgezockt, Aktienkurse manipuliert und die Karrieren von Dutzenden von Feinden zerstört.
Da hatte er bestimmt kein Problem damit, eine popelige, von Mami und Papi geführte Kanzlei in Hattiesburg, Mississippi, zu ruinieren.
Um kurz nach neun brachte Toliver ihn nach Hause. Für diese Zeit hatte er sich entschieden, weil Sadler dann bereits im Bett lag und er nicht gezwungen war, sich mit einem Kind zu befassen, das ihn nicht interessierte. Dem anderen Kind konnte er nicht aus dem Weg gehen. Brianna wartete pflichtschuldig auf ihn. Sie würden am Kamin essen.
Als er eintrat, stand er der Imelda gegenüber, die bereits ihren endgültigen Platz im Foyer gefunden hatte und noch absurder wirkte als am Abend zuvor. Gegen seinen Willen nahm er die Skulptur genauer in Augenschein. Ähnelten diese Bronzestäbe in ihrer Anordnung wirklich der Silhouette eines jungen Mädchens? Wo war der Oberkörper? Wo der Kopf? Wo waren die Glieder? Hatte er wirklich so viel Geld für diesen abstrakten Unsinn bezahlt?
Und wie lange würde ihn die Imelda in seinem eigenen Penthouse verfolgen?
Während sein Kammerdiener ihm Mantel und Aktentasche abnahm, starrte Carl traurig auf das Meisterwerk. Dann ertönten die gefürchteten Worte: »Hallo, Darling.« Brianna kam herein, in einem flatternden roten Kleid. Küsschen auf die Wange.
»Ist sie nicht erstaunlich?«, fragte sie, auf die Skulptur zeigend.
»Erstaunlich ist das richtige Wort.«
Er blickte erst Brianna, dann die Imelda an und hätte am liebsten beide erwürgt. Kurz daraufwar der Augenblick vorbei. Er konnte nie eine Niederlage eingestehen.
»Das Essen ist fertig«, säuselte sie.
»Hab keinen Hunger. Lass uns lieber einen Drink nehmen.«
»Aber Claudine hat dein Lieblingsessen gemacht - gegrillte Seezunge.«
»Kein Hunger, Liebling.« Er legte die Krawatte ab und warf sie dem Diener zu.
»Ich weiß, dass der Tag grauenvoll war«, sagte sie. »Einen Scotch?«
»Ja.«
»Erzählst du mir, wie es war?«
»Nichts lieber als das.«
Briannas persönliche Anlageberaterin, die Carl nicht kannte, hatte tagsüber immer wieder angerufen, um sie über den aktuellen Stand der Katastrophe zu informieren. Brianna kannte die Zahlen und wusste aus dem Fernsehen, dass ihr Mann etwa eine Milliarde verloren hatte.
Nachdem sie das Küchenpersonal für den Tag entlassen hatte, zog sie ein sehr viel tiefer ausgeschnittenes Neglige an. Sie setzten sich an den Kamin und plauderten, bis Carl die Augen zufielen.
7
Am Freitagmorgen um zehn, zwei Tage nach der Urteilsverkündung, trafen sich die Mitarbeiter der Kanzlei Payton & Payton in dem großen Raum, den sie »Loch« nannten. An den ungestrichenen Wänden standen selbst gebaute Regale, auf denen sich stapelweise Luftaufnahmen, medizinische Gutachten, Porträts von Geschworenen, Zeugenberichte und Hunderte anderer Schriftstücke türmten, die alle mit dem Prozess zu tun hatten. Der Tisch in der Mitte des Raums
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