Die Berufung
Masse herauszutreten, um einer von neun zu werden, war berauschend. Sich mit einem gewagten Salto vom Feld-, Wald-, Wiesengericht direkt zum Gipfel der Justiz aufzuschwingen war so aufregend, dass er laut lachen musste. Doreen lachte nicht, aber sie war amüsiert und voll bei der Sache.
Fünfter Punkt: Ein möglicher Fehlschlag. Was, wenn er verlor? Erdrutschartig? Würden sie mit Hohn und Spott überhäuft werden? Das war ein niederschmetternder Gedanke, aber er klammerte sich an das, was Zachary gesagt hatte. Mit drei Millionen ist die Kampagne zu gewinnen, und wir werden das Geld haben.
Womit man bei der keineswegs unbedeutenden Frage war, wer eigentlich dieser Mr Zachary war und ob man ihm trauen konnte. Ron Fisk hatte eine Stunde lang das Internet nach Judicial Vision und Tony Zachary durchforstet. Alles hatte seriös ausgesehen. Er hatte einen Freund aus dem Studium angerufen, der es auf der Karriereleiter bereits bis in das Büro des Staatsanwalts in Jackson gebracht hatte. Ohne seine Motive zu offenbaren, versuchte er, ihn unauffällig nach Judicial Vision auszufragen. Der Freund meinte, schon davon gehört zu haben, wusste aber nichts Genaueres. Außerdem habe er gerade mit Off-Shore-Ölrechten zu tun und halte sich aus der Politik heraus.
Fisk hatte das Büro von Judicial Vision in Jackson angerufen und war über viele Umwege an Mr Zacharys Sekretärin weiterverbunden worden, die ihm mitgeteilt hatte, dass ihr Chef im Süden von Mississippi unterwegs sei. Nachdem sie eingehängt hatte, rief sie Zachary an, um ihm von dem Anruf zu berichten.
Die Fisks trafen sich am nächsten Tag mit Zachary zum Mittagessen im Dixie Springs Cafe, einem kleinen Restaurant an einem See, zehn Meilen südlich von Brookhaven, wo man, anders als in der Stadt, nicht damit rechnen musste, belauscht zu werden.
Diesmal trat Zachary mit einer etwas anderen Haltung auf. Heute war er der Mann, der viele Alternativen hatte. Nach dem Motto: Das ist mein Angebot - nehmen Sie es an, oder lassen Sie es bleiben, ich habe andere junge, weiße, männliche, protestantische Rechtsanwälte zur Auswahl, meine Liste ist lang. Er war freundlich und charmant, insbesondere zu Doreen, deren anfängliche Skepsis sich alsbald in Wohlgefallen auflöste.
Irgendwann in dieser schlaflosen Nacht waren Mr und Mrs Fisk unabhängig voneinander zum selben Schluss gekommen. Ihr Leben in dieser kleinen Stadt würde wesentlich erfüllter und reicher sein, wenn Rechtsanwalt Fisk Richter wäre. Ihr gesellschaftliches Ansehen würde gewaltig steigen. Sie wären unantastbar, und obwohl sie beide nicht nach Macht und Prominenz strebten, war doch die Versuchung unwiderstehlich.
»Was macht Ihnen am meisten Sorge?«, fragte Zachary nach fünfzehn Minuten fruchtlosem Hin und Her.
»Nun ja, wir haben Januar«, setzte Fisk an. »Und in den kommenden elf Monaten werde ich kaum etwas anderes tun, als den Wahlkampf planen und führen. Da mache ich mir natürlich Sorgen wegen meiner Arbeit.«
»Dafür habe ich eine Lösung«, entgegnete Zachary, ohne zu zögern. Er hatte für alles eine Lösung. »Judicial Vision ist eine gut organisierte Gruppe. Wir haben viele Freunde und Befürworter. Wir können dafür sorgen, dass Ihre Kanzlei ein paar zusätzliche Fälle bekommt. Holzwirtschaft, Energie, Erdgas, große Mandanten mit Einfluss in diesem Teil des Staates. Ihre Kanzlei wird vielleicht noch ein oder zwei Anwälte einstellen wollen, um das Arbeitspensum zu schaffen, solange Sie mit anderen Dingen beschäftigt sind. Das dürfte die Lage entspannen. Wenn Sie sich für die Kandidatur entschließen, werden Sie keine finanziellen Einbußen haben. Ganz im Gegenteil.«
Die Fisks tauschten unwillkürlich einen Blick. Zachary strich etwas Butter auf einen Salzcracker und biss herzhaft hinein.
»Seriöse Fälle?«, fragte Doreen und wünschte im selben Moment, sie hätte nichts gesagt.
Zachary runzelte beim Kauen die Stirn. Als er wieder sprechen konnte, sagte er einigermaßen konsterniert: »Alles, was wir tun, ist seriös, Mrs Fisk. Wir sind absolut integer - unser Ziel ist es schließlich, die Gerichte zu säubern. Was wir tun, wird mit Argusaugen beobachtet werden. Dieser Wahlkampf wird heiß werden und viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Aber wir werden nicht wanken.«
So zurechtgewiesen, hob Doreen ihr Messer und nahm sich ein Brötchen.
Zachary fuhr fort: »Niemand wird eine saubere Anwaltstätigkeit infrage stellen. Oder angemessene Honorare von Mandanten, ganz gleich
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