Die Berufung
fünftausend Dollar pro Privatperson und zweitausendfünfhundert Dollar pro Organisation beschränkt, dazu zählen auch politische Aktionsausschüsse und Körperschaften.
Sheila McCarthy war neun Jahre zuvor von einem freundlichen Gouverneur als Richterin eingesetzt worden, nachdem ihr Vorgänger verstorben war. Einmal war sie unangefochten wiedergewählt worden und rechnete auch diesmal mit einem leichten Sieg. Es gab nicht den leisesten Hauch eines Gerüchtes, dass irgendjemand auf ihren Posten spekulierte.
Mit ihren neun Jahren Erfahrung war sie die viertjüngste unter den Richterkollegen und galt in Mississippis Anwaltskreisen immer noch mehr oder weniger als Neuling. Ihre Stellungnahmen und Abstimmungserfolge setzten Liberale und Konservative gleichermaßen in Erstaunen. Sie war eine Gemäßigte, eine gute Vermittlerin, weder strenge Paragrafenreiterin noch Sozialingenieurin, eher eine unverbindliche Pragmatikerin, die, wie manche sagten, zuerst den bestmöglichen Ausgang eines Verfahrens festlegte und anschließend die passenden Gesetze dazu suchte. Mit ihren Eigenschaften hatte sie es am Gericht zu enormem Einfluss gebracht. Sie schaffte es, rechte Hardliner, von denen garantiert immer vier zugegen waren, und Liberale, die an manchen Tagen zu zweit und manchmal überhaupt nicht anwesend waren, zum Konsens zu bewegen. Vier rechts und zwei links, das bedeutete, dass Sheila McCarthy zwei Gesinnungsgenossen in der Mitte hatte - wobei an dieser simplen Arithmetik schon so mancher Anwalt gescheitert war, wenn er versuchte, ein bestimmtes Ergebnis vorherzusagen. Die meisten Fälle entzogen sich einer klaren Kategorisierung. Welche ist die liberale oder die konservative Position bei einer großen Scheidungsschlacht oder bei einem Grenzstreit zwischen zwei Holzfirmen? Viele Fälle gingen neun zu null aus.
Der Supreme Court tagt im Carroll-Gartin-Gebäude in der Innenstadt von Jackson, direkt gegenüber dem Regierungssitz des Staates Mississippi. Sheila McCarthy parkte auf ihrem reservierten Stellplatz in der Tiefgarage. Allein fuhr sie mit dem Aufzug in den dritten Stock und betrat um exakt 8.45 Uhr ihre Büroräume. Paul, ihr Assistent, ein umwerfend gut aussehender Hetero-Single von achtundzwanzig Jahren, den sie ungemein anziehend fand, trat nur Sekunden nach ihr ein.
»Guten Morgen«, sagte Paul. Er hatte lange dunkle Locken und einen kleinen Brillanten im Ohr, und er schaffte es immer, seinen Bartwuchs auf Drei-Tage-Länge zu halten. Seine Augen waren haselnussbraun. Es hätte sie nicht überrascht, ihn in einem der Modemagazine zu entdecken, die bei ihr zu Hause überall herumlagen, in einer Werbung für Armani zum Beispiel. Paul hatte mehr mit ihrem Fitnessprogramm zu tun, als ihr lieb war.
»Guten Morgen«, erwiderte sie nüchtern, als hätte sie ihn kaum wahrgenommen.
»Um neun Uhr ist die Sturdivant-Anhörung.«
»Ich weiß«, sagte sie und sah ihm nach, als er ihr Büro durchquerte. Ausgewaschene Jeans. Ein Hintern wie ein Model.
Ihr Blick klebte förmlich an ihm, während er hinausging.
An seiner Stelle kam die Sekretärin herein. Sie schloss die Tür hinter sich und zog ein Schminktäschchen heraus. Als Sheila McCarthy so weit war, wurden in aller Schnelle ein paar Ausbesserungsarbeiten erledigt. Das Haar - kurz, die Ohren halb frei lassend, zwischen sandblond und grau und inzwischen zweimal im Monat für vierhundert Dollar gefärbt -wurde in Form gewuschelt und mit Spray locker fixiert.
»Wie stehen meine Chancen bei Paul?«, fragte sie mit geschlossenen Augen.
»Bisschen jung, meinen Sie nicht?«
Die Sekretärin war älter als ihre Chefin und diente ihr schon seit neun Jahren als Stylistin. Sie machte sich ans Pudern.
»Natürlich ist er jung. Das ist es ja gerade.«
»Ich weiß nicht. Ich habe gehört, er ist schwer mit dieser Rothaarigen aus Albrittons Büro beschäftigt.«
Sheila hatte die Gerüchte auch gehört. Eine bildschöne neue Referendarin von der Stanfbrd University, die auf den Fluren alle Blicke auf sich zog, und Paul bekam im Allgemeinen jede, die er wollte.
»Haben Sie den Sturdivant-Schriftsatz gelesen?«, fragte sie, während sie aufstand, um sich die Robe anlegen zu lassen.
»Ja.« Die Sekretärin drapierte ihr das schwarze Gewand sorgfältig über die Schultern. Es wurde vorn mit einem Reißverschluss geschlossen, und die beiden hatten einige Mühe, bis das unförmige Kleidungsstück richtig saß.
»Und? Wer hat den Polizisten umgebracht?«, forschte Sheila und zog
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