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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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die Woche.« Der Kellner ignorierte die Bemerkung und reichte ihnen die Speisekarten.
    »Es ist sehr schön«, sagte Ron und ließ seinen Blick über die Wände voller Bücher gleiten, die offensichtlich seit einhundert Jahren weder gelesen noch abgestaubt worden waren. Sie aßen in einer Bibliothek. Kein Wunder, dass man hier unter sich war. Sie bestellten Suppe und gegrillten Schwertfisch. Der Kellner schloss im Hinausgehen die Tür.
    »Ich habe um eins wieder einen Termin«, sagte Rudd. »Kommen wir also gleich zur Sache.« Er schüttete Zucker in seinen Eistee und rührte ihn mit dem Suppenlöffel um.
    »Gern.«
    »Sie können diesen Wahlkampfgewinnen, und Gott weiß, dass wir Sie brauchen.«
    Königliche Worte, die Ron Fisk Stunden später mehr als einmal vor Doreen wiederholen würde. Ein Versprechen aus dem Munde eines Mannes, der selbst nie eine Niederlage erlitten hatte. Von diesem unumwundenen Auftakt an war Ron Fisk »Der Kandidat«.
    »Wie Sie wissen«, fuhr Rudd fort - das Zuhören war nicht seine Sache, schon gar nicht bei politischen Grünschnäbeln aus der Provinz - »habe ich mit Lokalwahlkämpfen nichts zu tun.« Ron wollte laut auflachen, merkte jedoch rechtzeitig, dass der Senator keineswegs scherzte.
    »Dieser Wahlkampf aber ist viel zu wichtig. Ich werde tun, was in meiner Macht steht, und das ist nicht eben wenig, wissen Sie.«
    »Selbstverständlich.«
    »Ich habe ein paar mächtige Freunde in dem Geschäft, und sie werden mit Freuden Ihre Kampagne unterstützen. Kostet mich nur ein paar Telefonanrufe.«
    Ron Fisk nickte höflich. Zwei Monate zuvor hatte Newsweek eine Titelgeschichte gebracht, in der es um die Berge von Lobbygeld ging, die in Washington im Umlauf waren, und um die Politiker, in deren Taschen es wanderte. Rudd stand ganz oben auf der Liste. Er hatte über elf Millionen in seiner Wahlkampfkasse, wobei kein ernst zu nehmender Wahlkampf abzusehen war. Schon allein die Vorstellung, dass sich jemand Chancen gegen ihn ausrechnen könnte, war ganz und gar lächerlich. Er gehörte den großen Konzernen. Banken, Versicherungen, Öl, Kohle, Medien, Verteidigung, Pharma -Amerikas gesamtes Big Business hatte sich in den Greifarmen seiner Spendenmaschinerie verfangen.
    »Danke«, erwiderte Ron pflichtschuldig.
    »Meine Leute können eine Menge Geld zusammenbekommen. Außerdem kenne ich die Frontsoldaten. Den Gouverneur, die Abgeordneten, die Bürgermeister. Schon mal von Willie Täte Ferris gehört?«
    »Nein, Sir.«
    »Hohes Tier im vierten Bezirk, Adams County, bei Ihnen im Süden. Ich habe seinen Bruder zweimal vor dem Knast bewahrt. Willie Täte würde sich für mich prostituieren. Und er ist einer der mächtigsten Politiker dort unten. Ein Anruf von mir, und Sie haben Adams County in der Tasche.« Er schnippte mit den Fingern. So einfach war das mit den Wählerstimmen. »Schon mal von Link Kyzer gehört? Sheriff im Wayne County.«
    »Möglicherweise.«
    »Link ist ein alter Kumpel von mir. Vor zwei Jahren brauchte er mal wieder Streifenwagen, Funkgeräte, schusssichere Westen, Waffen und so weiter und so fort. Weil er vom County keinen müden Cent bekam, rief er mich an. Ich ging zum Heimatschutz, redete mit ein paar Freunden, ließ meine Überredungskünste wirken, und schon hatte Wayne County sechs Millionen Dollar für den Antiterrorkampf. Jetzt haben sie mehr Streifenwagen als Polizisten. Ihr Funk ist moderner als der von der Marine. Und siehe da, schon lassen sich keine Terroristen mehr in Wayne County blicken.« Er lachte schallend über seine eigene Pointe, und Ron musste wohl oder übel mit einstimmen. Sechs Millionen Steuergelder verschwendet, was für ein Witz.
    »Sie brauchen Link, und Sie bekommen Link samt Wayne County«, versprach Rudd und nahm ein paar Schlucke von seinem Eistee.
    Das waren jetzt zwei Countys, überlegte Ron. Im südlichen Bezirk gab es weitere fünfundzwanzig. Hoffentlich musste er sich jetzt nicht eine Stunde lang langatmige Heldengeschichten anhören. Die Suppe kam.
    »Diese McCarthy«, sagte Rudd schlürfend. »Die hat nie dazugehört.« Was Ron dahingehend interpretierte, dass sie nie eine Anhängerin von Senator Rudd war. »Sie ist zu liberal, und unter uns Männern, sie ist nicht für die Robe geschaffen. Klar, was ich meine?«
    Ron Fisk nickte leicht, während er auf seinen Suppenteller blickte. Kein Wunder, dass der Senator lieber allein aß, dachte er. Er wusste nicht einmal ihren Vornamen. Er wusste überhaupt wenig über sie, außer dass sie

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