Die Berufung
sind.«
Skip starrte düster vor sich hin.
»Sollen wir eine Besprechung mit Richterin McCarthy ansetzen?«, fragte Barbara nach einer langen, bedeutungsschweren Pause.
»In ein paar Tagen. Wir sollten erst einmal warten, bis sich der Staub gelegt hat.«
Richterin McCarthy war früh auf, vermutlich, weil sie nicht mehr schlafen konnte. Um 7.30 Uhr wurde sie dabei beobachtet, wie sie ihre Wohnung verließ. Dann fuhr sie nach Belhaven, einem älteren Stadtteil von Jackson. Sie parkte in der Einfahrt des Ehrenwerten Richters James Henry McElwayne.
Tony war von diesem zwanglosen Treffen nicht überrascht.
Mrs McElwayne begrüßte die Richterin herzlich und bat sie herein. Dann führte sie sie durch das Wohnzimmer und die Küche in den hinteren Teil des Hauses, wo das Arbeitszimmer ihres Mannes lag. Jimmy, wie ihn seine Freunde nannten, hatte gerade die Lektüre der Morgenzeitungen beendet.
McElwayne und McCarthy. Big Mac und Little Mac, wie sie manchmal auch genannt wurden. Sie unterhielten sich ein paar Minuten über Mr Coley und die erstaunlich ausführliche Berichterstattung in den Medien nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur und kamen dann zur Sache.
»Gestern Abend bin ich die Akten zu meinem Wahlkampf durchgegangen«, sagte McElwayne, während er Sheila einen Ordner in die Hand drückte, der fast drei Zentimeter dick war. »Ganz vorn ist eine Liste der Spender, jeweils nach der Höhe des Betrags geordnet. Die dicken Schecks wurden alle von Prozessanwälten ausgestellt.«
Der nächste Teil enthielt eine Zusammenstellung der Ausgaben für seinen Wahlkampf, Zahlen, die Sheila kaum glauben konnte. Danach kamen Berichte von Beratern, Anzeigenentwürfe, Umfrageergebnisse und ein Dutzend andere Dokumente, die mit dem Wahlkampf zu tun hatten.
»Das bringt keine angenehmen Erinnerungen zurück«, sagte er.
»Tut mir leid. Das wollte ich nicht, wirklich nicht.«
»Mein Beileid, Sheila. Ich weiß genau, wie Sie sich jetzt fühlen.«
»Wer steckt hinter diesem Kerl?«
»Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Er könnte ein Lockvogel sein. Aber egal, was er ist, Sie müssen ihn ernst nehmen. Wenn er Ihr einziger Gegner bleibt, werden die Bösewichte früher oder später einen Weg zu ihm finden. Und sie werden ihr Geld mitbringen. Coley in Kombination mit einem dicken Scheckbuch könnte gefährlich werden.«
McElwayne war früher Senator für Mississippi gewesen und dann als Richter an einen Chancery Court gewählt worden. Er wusste, was ein politischer Krieg war. Vor zwei Jahren hatte Sheila hilflos mit ansehen müssen, wie er mit einer wüsten Kampagne gedemütigt und verunglimpft wurde. Auf dem Tiefpunkt des Wahlkampfs, als er in Fernsehspots seines Gegners (die, wie sich später herausstellte, von der American Rifle Association finanziert worden waren) beschuldigt wurde, für eine Reglementierung von Waffenbesitz zu sein (in Mississippi gibt es keine größere Sünde), hatte sie sich das Versprechen gegeben, sich unter keinen, aber auch wirklich gar keinen Umständen so behandeln zu lassen. Lieber wollte sie nach Biloxi zurückkehren, eine kleine Boutique eröffnen und jeden zweiten Tag ihre Enkelkinder besuchen. Die Richterstelle konnte dann gern jemand anders haben.
Jetzt war sie sich da nicht mehr so sicher. Coleys Auftritt hatte sie geärgert. Sie sah zwar noch nicht rot, aber es fehlte nicht mehr viel. Außerdem war sie mit ihren einundfünfzig zu jung, um sich zur Ruhe zu setzen, und zu alt, um von vorn anzufangen.
Sie unterhielten sich noch eine Stunde über Politik. McElwayne verlor sich in alten Geschichten über Wahlen und schrullige Politiker, und Sheila musste das Gespräch behutsam wieder auf die Schlacht lenken, die vor ihr lag. McElwaynes Kampagne war sehr erfolgreich von einem jungen Anwalt geleitet worden, der sich von einer großen Kanzlei in Jackson hatte beurlauben lassen. McElwayne versprach, ihn anzurufen und ein wenig vorzufühlen. Er versprach außerdem, die wichtigen Spender und ehemalige Mitarbeiter seiner Kampagne anzurufen. Er kannte die Chefredakteure der Zeitungen. Er wollte tun, was er konnte, damit sie Richterin blieb.
Sheila ging um 9.14 Uhr, fuhr auf direktem Weg zum Carroll-Gartin-Gebäude und parkte ihren Wagen.
Coleys Ankündigung wurde in der Kanzlei Payton & Payton zwar zur Kenntnis genommen, aber kaum kommentiert. Am 18. April, dem Tag danach, passierten gleich drei wichtige Dinge, und die Kanzlei hatte kein Interesse an weiteren Neuigkeiten. Das erste
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