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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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vor.«
    Am Ende der Mahlzeit war Giddon so trübsinnig wie Oll. Katsa betrachtete Olls zerfurchtes Gesicht und seine unglücklichen Augen. Sie beobachtete, wie Giddon aß, wie sein Messer das Rot und Gold der Wände spiegelte, wenn er sein Fleisch schnitt. Er sprach leise und er seufzte – beide seufzten, Oll wie Giddon, während sie redeten und aßen.
    Sie wollten diesen Auftrag nicht ausführen. Katsa beobachtete sie und hörte ihnen zu, und ihre Gedanken gingen auf die Suche nach etwas, womit sie Randas Vorhaben durchkreuzen könnte.
    Bo hatte gesagt, es stünde in ihrer Macht, Randa den Gehorsam zu verweigern. Und vielleicht stand es nur in ihrer Macht und nicht in der von Oll oder Giddon, weil Randa die beiden anders bestrafen konnte als sie. Wie konnte er sie überhaupt bestrafen? Er könnte sie vielleicht mit seiner gesamten Armee in den Kerker zwingen. Er könnte sie töten. Nicht im Kampf, aber mit Gift eines Nachts beim Essen. Wenn er sie für gefährlich hielt oder nicht mehr für nützlich, würde er sie bestimmt in einen Kerker stecken oder töten.  
    Und was wäre, wenn sein Zorn über ihre Rückkehr ohne Ellis’ Tochter ihren eigenen Zorn entzündete? Was würde geschehen, wenn sie vor Randa stand und in ihren Händenund Füßen eine Wut fühlte, die sie nicht zurückhalten konnte? Was würde sie tun?
    Es war gleichgültig. Als Katsa am nächsten Morgen in ihrem bequemen Bett in Giddons Schloss erwachte, wusste sie, dass es gleichgültig war, was Randa ihr antun würde oder sie ihm. Wenn sie heute gezwungen wäre, Lord Ellis nach Randas Wünschen zu quälen, würde sie das in Wut versetzen. Sie spürte, wie ihre Wut schon bei dem Gedanken wuchs. Wenn sie Lord Ellis Schmerzen zufügte, wäre ihre Wut nicht weniger katastrophal, als wenn sie es nicht tat und Randa Vergeltung übte. Sie würde es nicht tun. Sie würde keinen Mann quälen, der nur versuchte, seine Kinder zu beschützen.
    Sie wusste nicht, was dann geschehen würde. Aber sie wusste, dass sie heute keinem etwas tun würde. Sie warf ihre Decken zurück und dachte nur noch an heute.
    Lustlos packten Giddon und Oll ihre Taschen und bereiteten die Pferde auf ihren Ritt vor. »Vielleicht können wir ihn zu einem Kompromiss überreden«, sagte Giddon ohne Überzeugung, und Oll antwortete nur mit einem »Hmm«.
    Ellis’ Schloss lag einen Ritt von wenigen Stunden entfernt. Als sie ankamen, führte ein Diener sie in die große Bibliothek, wo Ellis arbeitend an einem Schreibtisch saß. Die Wände waren mit Büchern gesäumt, manche so weit hinauf, dass die Bände nur mit Hilfe der Leitern aus schönem dunklem Holz erreicht werden konnten, die an den Regalen lehnten. Lord Ellis stand auf, als sie eintraten, sein Blick war stolz, das Kinn gereckt. Er war ein kleiner Mann mit schwarzem Schopf und kleinen Fingern, die er auf dem Schreibtisch spreizte.
    »Ich weiß, warum Sie hier sind, Giddon«, sagte er.
    Giddon räusperte sich verlegen. »Wir wollen mit Ihnen reden, Ellis, und mit Ihren Töchtern.«
    »Ich werde meine Töchter nicht in diese Gesellschaft bringen.« Ellis schaute kurz zu Katsa. Er zuckte nicht zusammen unter ihrem Blick, und er stieg noch höher in ihrer Achtung.
    Jetzt war sie an der Reihe. Sie zählte drei Diener, die steif an den Wänden standen.
    »Lord Ellis«, sagte sie, »wenn Ihnen die Sicherheit Ihrer Diener etwas bedeutet, sollten Sie die drei hinausschicken.«
    Giddon schaute sie verblüfft an, denn das war nicht ihre übliche Vorgehensweise. »Katsa …«
    »Vergeuden Sie nicht meine Zeit, Lord Ellis«, fuhr Katsa fort. »Ich kann sie selbst entfernen, wenn Sie es nicht tun.«
    Lord Ellis winkte seine Männer zur Tür. »Geht«, sagte er zu ihnen. »Geht. Erlaubt niemandem einzutreten. Geht euren Aufgaben nach.«
    Zu ihren Aufgaben gehörte es wahrscheinlich, die Töchter des Lords sofort vom Grundstück zu bringen, falls sie überhaupt zu Hause waren. Katsa hielt Lord Ellis für einen Mann, der auf diese Situation vorbereitet war. Als sich die Tür geschlossen hatte, hob sie die Hand, um Giddon am Sprechen zu hindern. Er warf ihr einen verwirrten, gereizten Blick zu, den sie ignorierte.
    »Lord Ellis«, sagte sie, »der König wünscht, dass wir Sie dazu überreden, eine Ihrer Töchter nach Nander zu schicken. Ich glaube, dass wir damit kaum Erfolg haben werden.«
    Ellis sah entschlossen aus und erwiderte noch immer ihren Blick. »Das stimmt.«
    Katsa nickte. »Gut. Wenn das nicht gelingt, wünscht Randa, dass ich Sie

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