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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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ich dir so lange die Nase zuhalten,
bis du verreckst. Und natürlich werde ich das filmen und deiner Familie zu
Weihnachten schicken. Toll, oder? Haben wir uns verstanden?«
    Daniel wollte etwas sagen,
nickte jedoch nur. Er war davon überzeugt, dass Kurt völlig durchgedreht war.
Der Polizist sah ihn an. Sein rechtes Augenlid zuckte. Vor Aufregung, wie
Daniel vermutete. Scheiße, was die hier abziehen, haben die sich schon eine
lange Zeit ausgemalt. Und heute war es endlich so weit, heute waren sie dabei,
ihren Traum, den sie vielleicht seit Jahren hegten, in die Tat umzusetzen.
    Und er war hilflos. Absolut
unfähig, mit seinen gefesselten, tauben Armen und seinen prickelnden Beinen
auch nur einen feuchten Dreck zu bewirken.
    Piet hatte die ganze Zeit
hinter Karla gestanden. Sein starrer Blick fixierte ihren Rücken, als wäre er
die Antwort auf alle seine Fragen. Und vielleicht war es auch so.
    Kurt wandte sich der Kamera
und seinem Hauptdarsteller zu.
    »In Ordnung, Leatherknife«,
sagte er. »Ich zähle runter. Bist du bereit?«
    Der Entführer riss sich von
seiner Nichte los und stellte sich auf die Matratze, die Augen in die Linse
gerichtet. Er grunzte, nachdem er sich in Pose geschmissen hatte, die Machete
quer vor seinem Wanst, den bemützten Kopf schief gelegt. Er schien aufgeregt,
aber auch konzentriert zu sein.
    Kurt sah nochmal durch das
Objektiv. Er schien zufrieden mit dem, was er sah.
    »In Ordnung, Leatherknife.
Wenn ich Action rufe, fängst du an. So wie wir es besprochen haben. Es muss
perfekt sein, konzentriere dich also. Und denk dran, wenn du mit ihr fertig
bist, hast du noch ein Bonbon vor dir.«
    Ein angestrengtes Lachen
drang unter der Schwärze der Maske hervor. Es klang wie das eines starken
Rauchers.
    »Alles klar. Dann lass uns
anfangen.«
    Der Polizist hielt eine
ausgestreckte Hand in die Luft und zählte die Finger ab. Als er den Daumen
wegknickte, drückte er einen Knopf auf der Oberseite der Kamera.
    »Action!«

Kapitel 13
     
    Piet stand vor der
Videokamera, die Augen starr in die Linse gerichtet. Dann verbeugte er sich
unbeholfen. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, hielt er die Machete vor die
Kamera. Er fuhr mit einem behandschuhten Finger die Klinge entlang, ganz
langsam. Im nächsten Moment vollführte er eine Drehung und ließ die Waffe die
kühle Luft des Ballsaals zerteilen. Eine weitere Verbeugung folgte.
    Daniel sah, wie Kurt einen
Daumen hob, seinen Kopf jedoch nicht vom Objektiv wegbewegte. Er schien
zufrieden zu sein mit der wahnsinnigen Darbietung des in Lack und Leder
gekleideten Entführers.
    Piet drehte sich weg und
Kurt folgte der Bewegung mit der Kamera. Mit einer weiten Ausholbewegung
durchtrennte Piet die Kabelbinder, die Karlas Hände mit den Streben der
Stuhllehne verbunden hatten. Mit der freien Hand packte er sie an den Haaren
und zerrte sie von der Sitzfläche vor die Kamera, präsentierte sie einem
unsichtbaren, anonymen Publikum. Daniel wollte sich nicht vorstellen, was für
Leute sich dieses Machwerk ansehen würden.
    Piet griff einen Knebel, den
er vorher auf dem Rand der Matratze abgelegt hatte. Mit groben, ruckartigen
Schwüngen seiner Arme legte er ihn seiner Nichte an. Als er fertig war, war es
Karla unmöglich, einen artikulierten Ton von sich zu geben. Ein gelber Ball von
der Größe eines Tischtennisballs steckte in ihrem Mund, gehalten von ledernen
Schnüren, die quer über ihren Kopf liefen. Piet packte sie an den Haaren und
zwang sie zu einer Verbeugung.
    Dann bedeutete er ihr, sich
zu setzen. Karla gehorchte. Als sie auf dem verschimmelten Stoff Platz genommen
hatte, war Karlas Gesichtsausdruck nicht mehr stoisch, sondern voller Angst.
Mit Augen, groß wie Untertassen blickte sie zu ihrem Onkel auf, der sie vor der
Wand platzierte und ihre Hände über dem Kopf an dem Haken befestigte. Mit einem
Blick wie gebrochenes Glas beobachtete sie Piet, der seine Arbeit beendet und
abermals zu tanzen angefangen hatte. Wieder präsentierte er seine Machete, fuhr
mit den Finger an der Klinge entlang.
    Daniel sah, wie Kurt
lächelte. Seine Waffe hatte er von der Uniform entfernt und trug sie jetzt am
Gürtel seiner Jeans. Der Griff der Pistole lugte heraus wie eine Einladung,
dieses kranke Spiel zu beenden. Wenn er sie doch nur irgendwie erreichen
könnte. Dann könnte er sich nach vorne lehnen und sie mit einer schnellen
Bewegung vom Gürtel lösen. Doch seine Hände hatten immer noch keinen Millimeter
Spielraum. Ein Ding der Unmöglichkeit.
    Der Tanz

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