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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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seiner Brust vergraben, die
Hände auf den Ohren. Piet schrie immer noch.
    Keiler ließ ihn verstummen,
indem er ihm den Lauf seiner Waffe in den Mund rammte. Daniel hörte mindestens
einen von Piets Zähnen unter der Wucht der Bewegung abbrechen. Piet verstummte.
    »Du sollst aufhören«, schrie
Yvonne und rannte auf Keiler zu. Doch der stieß sie weg, ohne auch nur den
Blick von Piet abzuwenden. Yvonne torkelte rückwärts und stieß gegen die
Kamera. Das Stativ schwankte und kippte schließlich zur Seite. Die dünnen Beine
des Gestells zeigten in die Höhe wie die Gliedmaßen eines übergroßen Insekts.
    »Du wolltest sie
umbringen!«, wiederholte Keiler mit seiner Glaskauerstimme. »Dafür wirst du
bezahlen!«
    Piet schüttelte den Kopf. Er
versuchte etwas zu sagen, brachte jedoch keinen Laut am Pistolenlauf vorbei,
der verständlich gewesen wäre. Karla krallte sich an Daniel fest.
    Yvonne trat vor, zog ihre
Waffe und lud sie durch.
    »Es reicht. Hör auf, oder
ich jage dir eine Kugel ins Bein.«
    Keiler drehte sich zu ihr,
ohne den Lauf aus Piets Mund zu entfernen.
    »Ach ja? Dann wollt ihr mich
zurücklassen, bis die Polizei mich findet? Die wird sicher interessieren, was
ich zu sagen habe. Und nur weil du die Beine für Marco breitmachst, hast du
kein Recht, mir Befehle zu erteilen.«
    »Jetzt halt endlich diesen
Freak auf!«, rief Kurt von unterhalb des Graffitis.
    Yvonne ging noch einen
Schritt auf Keiler zu.
    »Waffe weg, Keiler. Ich
meine es verdammt ernst.«
    Doch Keiler stieß den Lauf
noch weiter in den Mund des Gefesselten. Rotgefärbter Speichel zog seine Bahnen
am Lauf vorbei zum Kinn.
    »Sag gute Nacht, Arschloch!«
    »Halt ihn auf! Halt ihn
auf!« Kurt.
    »Waffe weg, Keiler!« Yvonne.
    »Bitte hört auf. Bitte hört
auf.« Karla.
    Keiler schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er.
    Und drückte ab.

Kapitel 16
     
    Trotz seiner Bundeswehrzeit
kannte Daniel sich nicht sonderlich mit Waffen aus. Einige seiner ehemaligen
Kameraden waren regelrechte Waffennarren gewesen, hatten Magazine ausgetauscht,
deren Titelseiten Pistolen zierten, die erhöhte Treffsicherheit bei
erleichterter Bedienung und geringerem Rückstoß versprachen. Daniel hatte diese
Zeitungen nie gelesen. Er hatte sich lieber den ebenfalls reichlich in Umlauf
befindlichen Männermagazinen gewidmet.
    Doch auch wenn er wenig über
ballistische Feinheiten wusste, so war er doch sicher, dass es sich bei der
Kugel, die Piets Hinterkopf wegriss und Blut, Knochensplitter und Hirnmasse an
die Wand hinter ihm verteilte, um ein großes Kaliber gehandelt haben musste.
    Der Schuss war ähnlich laut
wie Marcos Warnschuss gewesen, vielleicht etwas leiser. Immerhin hatte Piet die
Knarre im Mund stecken, als sie losging.
    Doch Keilers Schuss traf.
    Der Kopf des Entführers
klappte nach hinten, klatschte mit einem Geräusch, das Daniels Magen einen
Purzelbaum schlagen ließ, an die Wand, wippte nach vorn und fiel vornüber. Piets
Oberkörper sackte ebenfalls nach vorne, bis seine gefesselten Hände ihn
aufhielten. Das Loch im Hinterkopf, groß genug, einen Tennisball darin
verschwinden zu lassen, wies wie ein Schlund in die Hölle zur Decke.
    Mehrere Dinge geschahen
gleichzeitig. Zumindest kam es Daniel so vor, doch vielleicht setzte sein
überforderter Verstand die Ereignisse auch nur zu einer Collage zusammen, um
ihm das Verstehen leichter zu machen.
    Er hörte Karla schreien,
spürte ihr nasses Gesicht sein Shirt durchnässen, ihre Fingernägel seine
Unterarme zerkratzen.
    Yvonne griff sich mit beiden
Händen in die Haare und zog sie zu roten Streifen, eine Geste des Entsetzens
und der Hilflosigkeit, während sie ziellos durch den Ballsaal tigerte und
lautlos die Lippen bewegte.
    In Daniels Ohren bremste ein
ICE, doch durch das metallische Kreischen drang Kurts Lachen ebenso deutlich
wie deplatziert wie Thrash Metal im Radionachmittagsprogramm.
    »Ihr seid so blöd, wisst ihr
das? Jetzt habt ihr auch noch einen Mord am Bein. Es sah vorher ja schon
beschissen aus für euch, aber jetzt könnt ihr euch gleich die Kugel geben.«
    Daniel wusste nicht, ob der
Polizist tatsächlich so abgebrüht war, oder aus dieser entgleisten Situation
nur versuchen wollte, den Keil zwischen die Gruppe tiefer zu treiben. Auf jeden
Fall war ihm klar, dass Kurt recht hatte. Spätestens jetzt würden sie als
Mörder gesucht werden, ganz egal, ob der arme Teufel in der Bank überlebte oder
nicht. Und noch etwas wurde ihm klar. Marco, Yvonne und Keiler konnten es sich
nicht

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