Die Beschleunigung der Angst
in seine Wohnung in den dritten Stock getragen. Er rutschte
auf dem Hintern in eine Position, die er für bequemer hielt, mit dem Erfolg,
dass seine Muskeln noch stärker schmerzten.
»Wie machen wir weiter?«,
fragte Yvonne, die vor Marco in die Hocke ging.
Marco kehrte von dem Punkt
an der Decke zurück und sah die rothaarige Frau an.
»Wie wir es besprochen
haben.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Wir haben es jetzt halb zwei. Xerxes
hat sich für zwei Uhr angekündigt.«
»Was machen wir mit den
ganzen Leuten hier?«
Marco zuckte mit den
Schultern.
»Solange sie gefesselt sind,
sollte das kein Problem darstellen. Viel schlimmer ist der Streifenwagen auf
dem Hof. Den müssen wir verschwinden lassen. Ansonsten wittert er eine Falle,
und das wäre das Schlimmste, was passieren könnte. Wenn er auch nur auf die
Idee kommt, wir würden ihn bescheißen wollen, sind wir tot.«
Er schüttelte den Kopf. »Wie
lange haben wir dieses Haus beobachtet? Wie oft waren wir hier? Zwei Dutzend
Mal? Öfter? Nie war jemand hier, höchstens mal ein paar Wanderer, die tagsüber
mal über das Gelände geschlichen sind. Aber abends war hier nie jemand. Nie!
Und jetzt sieh es dir an! Ein Polizist, sein perverser Freund und zwei Geiseln,
mit denen ein Snuff-Film gedreht werden soll. Von allen möglichen Tagen suchen
sie sich heute aus. Wie stehen die Chancen dafür? Eins zu einer Milliarde?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Yvonne.
»Aber wir müssen weitermachen. Sollen wir Xerxes anrufen? Ihm erzählen, was
vorgefallen ist?«
Marco schüttelte den Kopf.
»Um Gottes willen, nein! Wir
müssen nur den Wagen wegschaffen. Den Rest kriege ich erklärt.«
Yvonne zeigte auf Piet. »Und
was ist mit ihm da?«
»Später, Yvonne. Wichtig ist
der Streifenwagen. Alles andere kriegen wir.«
Daniel wusste nicht, wer
Xerxes war, aber es stand außer Frage, dass selbst Marco, der einen so
souveränen Eindruck machte, Angst vor ihm hatte. Nein, Angst war nicht das
richtige Wort. Es war Panik.
»Was willst du mit dem Wagen
machen?«, fragte Yvonne.
»Ich habe da so eine Idee«,
sagte er.
»Du willst ihn wegfahren?«
Marco schüttelte den Kopf.
»Nicht ich.« Er blickte zu
Daniel. »Er wird fahren.«
Kapitel 17
Mit jedem Meter, den sich
Marco den an die Wand kauernden Daniel und Karla näherte, drückte sich die Frau
enger an den Gefesselten. Daniel war sicher, dass die dünnen Plastikschnüre
mittlerweile sämtliche Hautschichten an seinen Handgelenken durchgescheuert
hatten und nun an seinem Fleisch zerrten. Es fühlte sich an, als picke ein
Vogel kleine Stücke aus dem Gelenk.
Marco kniete sich vor sie
und sah Karla mit seinen bemerkenswerten Augen an.
»Hast du was dagegen, wenn
ich mir deinen Freund für einen Moment ausleihe? Ich verspreche dir, dass ich
ihn dir in gutem Zustand wiederbringe.«
Karla sagte nichts, sah in
eine andere Richtung, erblickte ihren Onkel, senkte den Kopf, schloss die
Augen. Marco legte ihr eine Hand auf die Schulter. Daniel spürte, wie die an
ihn gelehnte Frau sich anspannte.
»Nur kurz, in Ordnung?«
Karla hielt ihre Lider
geschlossen, nickte jedoch.
»Gut«, sagte Marco, dann sah
er Daniel an.
Aus der Nähe wirkten die
Augen noch heller. Daniel hatte noch nie einen so intensiven Blick gesehen, noch
nicht einmal bei Karla. Er vermutete, dass Marco die Frauen nur anzusehen
brauchte, um sie ins Bett zu kriegen. Bei Yvonne schien es ja funktioniert zu
haben. Daniel schwor sich, dass wenn er den ganzen Scheiß hier überleben
sollte, sich gefärbte Kontaktlinsen in genau dem hellblauen Ton zu kaufen, der
ihn gerade festnagelte. Da konnte Thomas mit seinem Frühlingswiesengrün
einpacken.
»Ich werde dich jetzt
losschneiden, Daniel«, sagte Marco. »Du wirst doch nichts Blödes versuchen?«
Daniel schüttelte den Kopf.
Marco nickte und zog ein
Messer.
»Hab ich mir gedacht«, sagte
er, während er die Plastikschnüre mit der Klinge bearbeitete. »Weißt du, egal
wie schnell du sein solltest, ich bin schneller. Und egal, welche Tricks du
kennst, ich kenne mehr. Es würde mir leidtun, wenn ich das zarte Pflänzchen
eurer Zuneigung, das zwischen euch wächst, zertreten müsste. Aber ich würde es
ohne zu zögern tun. Du verstehst, was ich damit sagen will, oder?«
Jetzt war es an Daniel, zu
nicken. Auch Karla hatte verstanden. Sie schluchzte. Daniel hätte sie gerne in
die Arme genommen, doch er spürte sie nicht mehr. Außerdem war Marco noch nicht
fertig, die einzelnen Schnüre zu
Weitere Kostenlose Bücher