Die Beschützerin
»Lieber am Wochenende. Hab keine Lust, wieder stundenlang zu warten.«
Traurig blickte ich auf seine Nachricht. Wäre ich doch bloà nicht mit Vanessa Ott essen gegangen. Auf keinen Fall würde ich zulassen, dass der Job meine Beziehung kaputt machte. Ein Job, der heute das Gegenteil von Spaà bedeutete. Den ganzen Vormittag über hatte ich mich gefühlt wie ein Stasispitzel, von dem verlangt wird, dass er andere ans Messer liefert. Und der Vorfall mit Miranda brachte auch nur neuen Ãrger ⦠Wieder betrachtete ich die Karten. Ich schrieb Ulla eine SMS und fragte, ob sie mich begleiten wolle.
Als ich mein Fenster öffnete, bemerkte ich, dass meine Pflanzen die Blätter hängen lieÃen. Ich hatte seit Tagen vergessen, sie zu gieÃen. Kein Wunder bei dem Stress, der hier herrschte, seit die Bloomsdale-Leute da waren. Ich nahm meine kleine GieÃkanne aus dem Schrank.
Als ich mich umdrehte, sah ich Vanessa Ott in der Tür. Wie lange stand sie dort schon? Ich hatte sie nicht bemerkt. Nun klopfte sie an den Rahmen.
»Störe ich?«
»Nein, kommen Sie rein.«
Sie legte ihr Notebook auf meinem Schreibtisch ab. »Ich wollte kurz etwas unter vier Augen besprechen.«
»Bitte setzen Sie sich.«
Sie schloss die Tür und nahm auf meinem Besucherstuhl Platz. »Ihr Chef ist wieder da. Er war in seiner Einschätzung der Marketingmitarbeiter in fast jedem Einzelfall sehr weit von Ihrer Analyse entfernt. Und, unter uns gesagt, er hält es für unnötig, dass Herr Winter und ich weiter mit Ihnen sprechen. Als Marketingleiter sei er auch für den Smiling Kids Day der beste Ansprechpartner. Das gröÃte Event des Senders sei natürlich Chefsache. Er lieà durchblicken, dass Sie nur eine untergeordnete Rolle spielen.«
Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Alle relevanten Fragen zum Smiling Kids Day hatte ich selbst mit dem Vorstand geklärt. Ich hatte längst das Go für meine Planung bekommen. Gunter von Hirten hatte sich bisher nie in die Vorgänge eingemischt. Es war absurd, dass er sich den Erfolg der Show nun auf die eigenen Fahnen schrieb.
Ich suchte nach den richtigen Worten. Ich musste mich loyal verhalten, noch war von Hirten mein Chef. »Es stimmt natürlich, er trägt die Gesamtverantwortung«, sagte ich. »Nur sind ihm manche Details des Projektes nicht vertraut, deshalb halte ich es schon für nötig, dass Sie weiterhin auch mit mir â¦Â«
»Was ist da los zwischen Ihnen?«
»Das kann ich Ihnen nicht beantworten.« Ich hatte nicht vor, jemanden von Bloomsdale in die internen Rangeleien einzuweihen. Von Hirten versuchte offenbar, sich seine alte Machtposition zurückzuerobern. Lieà den Chef heraushängen.
Vanessa Ott schwieg, doch sie beobachtete jede Regung meines Gesichtes. »Frau Amelung, wir von Bloomsdale können eine ganze Menge ⦠bewegen. Aber wir sind abhängig davon, was Sie uns an Informationen liefern. Ich bin auf Ihrer Seite. Ich kann Sie auch beschützen. Sie müssen mir nur vertrauen.«
Was sollte das bedeuten? Hatte sie vor, von Hirten zu meinen Gunsten zu schaden? Gut, dass ich darauf nicht angewiesen war. Aber es konnte hilfreich sein, von ihr über seine Schachzüge informiert zu werden. Ich verdrängte mein ungutes Gefühl, sie auszunutzen. SchlieÃlich hatte sie mich freiwillig ins Vertrauen gezogen. »Danke, ich ⦠ich weià das zu schätzen«, sagte ich.
Sie drehte eine der Eintrittskarten herum. »A-Trane? Das ist doch der bekannte Jazzclub? Ich wohne nur ein paar Schritte von dort entfernt. Ich wollte schon lange mal zu einem Konzert gehen, aber ich vergesse immer, mich um Karten zu kümmern.«
»Mein neuer Nachbar ist Saxofonist. Er hat heute einen Gig und hat mich spontan eingeladen.«
Vanessa Ott verbog eine der Eintrittskarten zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich liebe Jazz.«
In diesem Moment klingelte mein Handy.
»Gehen Sie doch dran«, sagte Vanessa Ott.
Es war Ulla. »Janne, nur ganz kurz, danke für die Einladung, aber ich bin später schon verabredet. Kannst du vielleicht spontan am frühen Abend?« Ich bejahte. »Super, dann meld dich doch, wenn du aus dem Büro gehst.«
»Gut, wir treffen uns im Nice Place.« Ich legte auf. »Entschuldigung«, sagte ich zu Vanessa Ott und lieà das Handy in meine Handtasche gleiten.
»Kein Problem«, meinte sie mit einem
Weitere Kostenlose Bücher