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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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stehen. »Was mach ich nun mit dem Abendkurier ?«
    Â»Rede mit denen. Sag, dass du es dir vorstellen könntest. Aber nicht zu den Bedingungen. Verlang das, was du früher bekommen hast. Alles andere ist Verarschung. Und das würde dich nur unzufrieden machen. Wenn sie qualitativ hochwertige Berichterstattung wollen, müssen sie vernünftig zahlen. Und sonst sollen sie den Praktikanten hinschicken.«
    Ulla warf mir einen Handkuss zu. »Das ist meine kleine Janne, wie ich sie liebe. Recht hast du.«
    Â»Und ruf Tom an. Lad ihn zum Essen ein und nimm ihn mit zu einem Segeltörn auf deinem Wasserbett.«
    Ulla verschwand kichernd über den Flur, drehte sich noch einmal um und streckte kämpferisch die Faust in die Luft.
    Ich kehrte ins Büro zurück, wo Vanessa Ott und Mark Winter schon wieder über meine Berichte gebeugt saßen. Das Fenster war geschlossen, die Luft im Raum stickig. Draußen wiegten sich die Bäume vor einem strahlend blauen Himmel im Wind.
    Â»Ich hoffe, Sie haben die nächsten Stunden keine weiteren Termine«, knurrte Mark Winter. »Das hier wird dauern.«
    Mir war nicht ganz klar, ob das Gespräch mit Ulla schuld war oder meine tiefe Unlust, den Rest des Tages mit diesem schlecht gelaunten Mann in einem Raum zu verbringen, jedenfalls sagte ich, ohne vorher nachzudenken: »Ich muss gegen halb drei für eine Stunde aus dem Haus. Danach bin ich ganz für Sie da.«
    Mark Winter starrte mich an, als hätte er sich verhört, und auch über Vanessa Otts Gesicht huschte ein unwilliger Ausdruck. »Ein Arzttermin?«, fragte sie.
    Â»Nein …,« ich zögerte. Ich hatte mir keine Erklärung zurechtgelegt.
    Â»Wie auch immer«, rettete sie mich aus der Verlegenheit. »Das dürfte kein Problem sein. Wir haben auch ohne Sie genug zu tun.« Sie wechselte mit Mark Winter einen Blick, dann sah sie mich durchdringend an. »Hauptsache, Sie werden uns nicht krank.«
    Wie kam sie nur darauf? »Bestimmt nicht«, gab ich zurück.
    Als ich um kurz vor drei aus dem Auto stieg und in die wärmende Sonne trat, spürte ich ein längst vergessenes Gefühl von Freiheit. So hatte es sich früher angefühlt, den Unterricht zu schwänzen. Und dabei betrat ich gerade freiwillig eine Schule.
    Ich heftete mich an eine Gruppe Erwachsener mit kleineren Kindern, darauf bauend, dass sie auch zur Theateraufführung wollten. Ich folgte ihnen in eine Turnhalle. Die Sitzbänke waren bereits besetzt, und ich blieb an der hinteren Wand stehen. Ob Benni mich entdecken würde? Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Ich wollte ihm so gern eine Freude machen.
    Die Aufführung begann mit einem Tanz zu Musik aus einem Kassettenrekorder, den eine angestrengt blickende Lehrerin bediente. Immer mehr Grundschüler liefen in Gruppen auf die Bühne, bildeten Reigen und fassten sich an den Händen und drehten sich umeinander … Mir wurde langweilig. Ich fing an, die Eltern um mich herum zu betrachten. Mütter, die voller Entzücken für ihre Sprösslinge Zwischenapplaus spendeten, und Väter, die unablässig filmten oder fotografierten. Auf einmal lenkte eine melodische Kinderstimme meine Aufmerksamkeit zurück auf die Bühne. Ganz allein stand dort Benni. Er erzählte auswendig den Beginn der Geschichte Die Konferenz der Tiere . Das Publikum wurde still, jedes Rascheln oder Hüsteln empfand ich als Störung. Als Benni fertig war, brachte ihm eine Mitschülerin seine Geige, und er begann zu spielen. Währenddessen kamen von rechts und links als Tiere verkleidete Kinder auf die Bühne. Ich entdeckte den blonden Jungen aus Bennis Klasse. Er trug ein Löwenkostüm und ging dicht hinter Benni vorbei. Als er bei ihm war, flüsterte er ihm etwas zu, seinem bösartigen Gesichtsausdruck nach musste es etwas Unfreundliches sein. Bennis Miene war wie versteinert. Er verspielte sich, setzte neu an, verspielte sich wieder. Ein paar Kinder rechts auf der Bühne begannen zu kichern. Benni setzte die Geige ab und sah hilfesuchend zu der Lehrerin hinüber, doch sie reagierte nicht. Ich konnte sehen, dass er Tränen in den Augen hatte. Ich verkrampfte meine Hände ineinander, wäre am liebsten vor zur Bühne gelaufen, um ihm beizustehen. Nur wie? Auf einmal tauchte ein großer, dunkelhaariger Mann neben mir auf. Sebastian Grolmann. Er hatte mich nicht gesehen, blickte unverwandt zu Benni auf

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