Die Beschützerin
Ermgassen überhaupt ein Honorar?«, fragte Eichstätt. »Ich denke, er hat einen Rahmenvertrag mit dem Sender?«
»Den hat er gerade aufgelöst«, meinte von Hirten. »Er will frei arbeiten.« Er räusperte sich. »Frau Amelung und Herr Ermgassen sind ⦠eng befreundet. Ich will da nichts unterstellen, aber â¦Â« Er senkte betreten den Blick.
»Stimmt das?«, fragte mich Mark Winter. »Sie stehen in einer persönlichen Beziehung zu ihm?«
Ich hatte keine Chance. Zu behaupten, die Honorarsumme sei gefälscht, würde so aussehen, als wolle ich mich vom Vorwurf der Vetternwirtschaft reinwaschen. Und als wolle ich meinen Chef beschuldigen. Sie würden mir kein Wort glauben. »Ich bin mit Jörg Ermgassen befreundet, das ist richtig«, sagte ich.
Eichstätts Gesichtsausdruck wurde hart. Er stand auf und lieà sein Handy in die Jackentasche gleiten. Mich sah er nicht an. »Also bitte, Herr von Hirten, vielleicht können Sie selbst das Budget korrigieren. Herr Winter wird Sie wenn nötig unterstützen. Dann könnte man sich erneut zusammensetzen. Aber das geht sicher auch ohne mich.«
Von Hirten nickte, und Mark Winter sagte: »Selbstverständlich, Herr Dr. Eichstätt, ich kümmere mich darum.«
Eichstätt ging zur Tür. Ich fühlte mich, als hätte mein Kreislauf die Arbeit eingestellt. Meine Hände waren eiskalt. Vanessa Ott kam zu mir und legte mir die Hand auf die Schulter. »Frau Amelung, ist alles in Ordnung?«
»Alles bestens«, hätte ich ihr am liebsten ins Gesicht geschrien.
Eichstätt hielt in der Bewegung inne und starrte uns beide an. »Frau Ott«, sagte er in scharfem Ton. »Kann ich Sie kurz sprechen?«
»Aber gern.« Sie erwiderte kühl seinen Blick und folgte ihm aus dem Raum.
»Was sollte das?«, hörte ich Eichstätts leise, aber messerscharfe Stimme im Vorzimmer. »Glauben Sie, ich hab meine Zeit gestohlen? Machen Sie so was nicht noch mal, sonst â¦Â«. Der Rest war unverständlich, sie hatten das Zimmer verlassen.
Die Tür des Waschraums fiel hinter mir zu. Ich hastete in eine der Toilettenkabinen und verriegelte sie. Schon während der letzten Minuten in von Hirtens Büro war mir übel gewesen. Ich übergab mich. Mit zitternden Knien setzte ich mich auf den Toilettendeckel. AuÃerhalb der Kabine war alles still. Ich öffnete die Tür und ging zu den Waschbecken. Ich wusch mein Gesicht und spülte meinen Mund aus. Die Wimperntusche zerlief als dunkler Halbmond unter meinen Augen. Ich versuchte, sie mit einem Papierhandtuch wegzureiben. Es klappte nicht. Wieder stieg Magensäure in mir hoch. Mir wurde schwindelig, und ich rutschte, an die Wand gelehnt, in die Hocke. Ich atmete tief und gleichmäÃig, um die Ãbelkeit zu vertreiben. Die Tür ging auf. Es war Vanessa Ott. Ausgerechnet sie.
»Frau Amelung, was haben Sie?«
Ich antwortete ihr nicht.
Sie kam zu mir und streckte mir ihren Arm entgegen. Ich rappelte mich hoch, ohne ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Spiegel sah ich uns beide: Mein Haar hing strähnig herab, mein Gesicht wirkte in dem Neonlicht noch bleicher, die Augen lagen in tiefen Schatten. Und ich sah sie neben mir. Genau hier, vor diesem Spiegel, hatte ich mit Vanessa Ott gestanden. Es war erst wenige Tage her. Und doch kam es mir vor, als wäre es in einem anderen Leben gewesen. Sie hatte krank ausgesehen, ihr Kreislauf hatte versagt. Jetzt strahlten ihre grünen Augen, ihre Haut schimmerte rosig. Der Geruch ihres Parfüms stieg mir in die Nase, es roch edel und teuer, aber reizte meine Magenschleimhaut.
Ihr Gesicht war ernst. »Frau Amelung, ich wollte es schon seit Tagen ansprechen, aber ich dachte â¦Â« Sie zögerte. »Ich mache mir wirklich Sorgen. Das ist eine schwierige Zeit für Sie. Sie haben das Gefühl, Sie müssen um Ihr Projekt kämpfen. Sie lassen keine Minute davon ab. Aber es ist zu viel. Sie sind überarbeitet und gestresst. Und deshalb unterlaufen Ihnen ⦠Fehler. Denn ich vermute, dass Sie sich bei der Honorarsumme schlicht verrechnet haben. Sie müssen Ihre Kräfte schonen, sonst klappen Sie uns zusammen.«
»Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Zahl nicht von mir stammt.«
Sie zog überrascht die Augenbrauen hoch. Ich glaubte ihr den Blick nicht. Mein Atem beschleunigte sich, die Ãbelkeit stieg wieder in mir hoch.
Sie nahm ein paar
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