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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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mich an den Schreibtisch und blickte an meinem Filmplakat vorbei auf den Flur. Wer etwas von mir wollte, sollte ruhig kommen. Meine Tür stand offen, ich war gewappnet. Aber da draußen war niemand. Und es würde auch niemand zu mir kommen. Dafür hatte Vanessa Ott gesorgt.
    Ich würde nicht kampflos aufgeben. Weder mein Projekt noch die Leitung meiner Abteilung. Das würde ich ihnen allen beweisen. Ich erstellte einen Ablaufplan des neuen Konzeptes. Der Tag verging wie im Flug und gegen Abend, nach etwa fünfzehn Telefonaten und fünfzig E-Mails, hatte ich das Gefühl, meinem Ziel ein Stück näher gekommen zu sein. Ich hatte mit den meisten Redaktionen und Produktionsteams gesprochen, und der Smiling Kids Day in seiner neuen Form nahm mehr und mehr Gestalt an. Ich beschloss, eine Übersicht direkt der Geschäftsführung vorzulegen und von Hirten zu übergehen. Ich hatte noch keine Idee, wie ich das begründen sollte, aber allein die Vorstellung besserte meine Laune. Von Hirten würde sich noch wundern.
    Michaelas eingespeicherte Nummer in meinem Handy hatte sich nicht von selbst verfälscht. Konnte es sein, dass er es in den Fingern gehabt hatte? Hatte er systematisch daran gearbeitet, Michaelas und mein Vertrauensverhältnis zu zerstören, um sich ihrer als Informationsquelle zu bedienen?
    Doch was mir weit mehr Angst machte als von Hirtens Machenschaften im Sender, waren die Dinge, die in meinem Privatleben schiefliefen. Jemand legte es darauf an, meine Beziehung zu zerstören. Und war skrupellos genug, in meine Wohnung einzudringen und meine persönlichen Mails zu manipulieren. Das konnte nicht Gunter von Hirten gewesen sein. Er hatte von Gregor keine Ahnung. Wenn Sebastian dahintersteckte, würde ich es noch heute herausfinden.
    Ich zog Sicherungskopien von meinen sämtlichen Dateien und änderte das Passwort meines Computers. Gleich morgen früh würde ich mein Wohnungsschloss austauschen lassen.

9
    Als ich um kurz nach neun auf die Straße trat, roch es nach Erde und feuchten Blättern. Im Bordstein stand noch das Regenwasser. Die Luft war stark abgekühlt.
    Sebastian lehnte ein Stück vom Haupteingang entfernt an einem Laternenpfahl. Die Hände steckten in den Taschen seiner abgewetzten Lederjacke. Er trug einen Dreitagebart, und seine braunen Locken sahen zerzaust aus. Mit seinem betont lässigen Styling fiel er hier am schicken Gendarmenmarkt aus dem Rahmen, aber ich musste mir eingestehen, dass er mir nach wie vor gefiel. Er entdeckte mich und kam auf mich zu. Wir begrüßten uns, ohne uns zu berühren. Ich fror. Eine Jacke hatte ich seit Wochen nicht dabei.
    Sebastian musterte mich eindringlich. Es irritierte mich.
    Â»Warum schaust du mich so an?«
    Â»Ehrlich gesagt … du siehst total fertig aus. Als wenn du nächtelang nicht geschlafen hättest.«
    Seine Besorgnis klang aufrichtig, und ich spürte, wie mein Misstrauen schmolz. Sebastian wirkte einfach nicht wie ein Typ, der heimlich Schlüssel nachmachte oder sich in fremde Computer einhackte. Ich versuchte zu lächeln. »Ach, weißt du, leider hab ich nachtaktive Nachbarn.«
    Â»Oh.«
    Â»Hey, das sollte ein Witz sein. Dass ich nicht schlafen kann, hat nichts mit dir und Elena zu tun.«
    Â»Schade.«
    Wir schwiegen einen Moment.
    Â»Wo wollen wir hingehen?«, fragte ich.
    Â»Hier in der Ecke kenne ich mich nicht aus. Da drüben ist ein asiatisches Restaurant. Das kennst du bestimmt?«
    Â»Ja, da gehe ich dauernd hin«, sagte ich. Ich hatte keine Lust, im Nice Place auf Kollegen zu treffen, mit Sebastian gesehen zu werden und die Gerüchteküche anzuheizen.
    Â»Ich hab eine bessere Idee.« Ich schlug ihm ein Restaurant am Hackeschen Markt vor. Sebastian war einverstanden, zu Fuß zu laufen. Ich hatte eine Gänsehaut und rieb mir die Arme. Er legte seinen Arm um meine Schulter, die Wärme tat so gut. Erst jetzt spürte ich, wie sehr ich mich am Schreibtisch verspannt hatte.
    Den ganzen Weg über erzählte er mir von einem Wettbewerb. Er hatte eine Komposition eingereicht und gestern erfahren, unter den Nominierten zu sein. Und auch im Restaurant, während wir in den Speisekarten blätterten, bestritt er die Unterhaltung allein. Noch hatte ich keine Idee, wie ich das Thema mit den gefälschten E-Mails ansprechen sollte. Mein Kopf funktionierte nicht so wie sonst, ich spürte eine dumpfe Müdigkeit. Als

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