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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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Während Katharina genauso aussah wie in der Zeitung, hätte ich Hunzicker auf diesem Foto fast nicht erkannt. Auf dem Bild war er viel schlanker, er trug eine Sonnenbrille und lachte in die Kamera. Der Mann, der jetzt vor mir saß, war bestimmt zehn Kilo schwerer, sein Gesicht wirkte aufgedunsen. Seine hohe Stirn wurde durch ausgeprägte Geheimratsecken noch betont.
    Er hatte meinen Blick auf das Foto bemerkt. »Das war in Italien, im Sommer, kurz vor Katis Tod. Sie wollte immer mit mir in den Süden. Sie hat die Wärme geliebt.« Er räusperte sich. »Ich habe nicht verstanden, was Sie von mir wollen.«
    Auf einmal kam es mir viel zu gewagt vor, mich diesem wildfremden Menschen anzuvertrauen. Aber es ging nicht anders. Ich musste ihn einweihen, um zu erfahren, was mit Katharina geschehen war. Zunächst erzählte ich nur von meinen beruflichen Schwierigkeiten, die mit dem Einsatz von Bloomsdale Consulting begonnen hatten. Hunzicker hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Gesicht verriet nichts darüber, was er dachte. Als ich das erste Mal Vanessa Otts Namen erwähnte, wurde sein Blick wacher. Ich sprach von ihren Versuchen, unsere Bekanntschaft auf eine private Ebene auszuweiten. An seinen Augen sah ich, dass er meinen Worten aufmerksam folgte. Als ich von den Erlebnissen in meiner Wohnung und meinen Ängsten berichtete, beugte er sich vor und legte die Hände auf den Tisch. Doch er schwieg.
    Â»Vielleicht halten Sie mich für verrückt, aber ich habe das Gefühl, Ihrer Freundin ist vor einem Jahr das Gleiche passiert wie mir. Mein Leben wird Schritt für Schritt zerstört. Zuerst war es der Job, jetzt ist es auch meine Beziehung zu meinem Freund. Und ich weiß nicht, warum.«
    Â»Ihre Beziehung geht kaputt?«, fragte er.
    Ich berichtete von den gefälschten E-Mails und von dem Zusammentreffen in der Bar.
    Â»Bitte erzählen Sie mir, was passiert ist, bevor Katharina gestorben ist«, sagte ich.
    Hunzickers Blick wanderte unruhig durch den Raum. »Ich würde Ihnen gern helfen, aber ich kann es nicht. Ich will über diese Frau nicht reden. Vanessa Ott. Ich will nicht mal an sie denken.« Er sah mich an. »Ich kann Ihnen nur einen guten Rat geben. Legen Sie sich nicht mit ihr an. Machen Sie einen Riesenbogen um sie.«
    Â»Was glauben Sie denn, was ich tun soll? Nach Australien auswandern?«
    Er stand auf. »Ich habe keine Zeit mehr. Ein Termin.«
    Ich blickte auf die Bierflaschen, auf den fadenscheinigen Stoff seiner Trainingshose. Auch ich erhob mich, und meine Knie zitterten. »Warum wollen Sie mir nicht helfen?«
    Er schwieg.
    Â»Warum können Sie nicht über sie sprechen? Weil es Ihnen von Bloomsdale verboten wurde? Ich verspreche, dass es unter uns bleibt. Ich rede mit niemandem darüber.«
    Er schob den Unterkiefer vor und sah noch verstockter aus.
    Â»Bitte helfen Sie mir.«
    Â»Sie haben Ähnlichkeit mit Kati«, sagte er schroff. »Nicht äußerlich. Nein, das überhaupt nicht. Aber Ihre Ausstrahlung. Kati war wie ein offenes Buch. Sie hat sich nicht verstellt, sie ließ jeden in ihr Herz sehen. Menschen wie Kati und Sie sind eine leichte Beute für …« Er wandte sich zu mir, sein Körper bebte vor Anspannung. »Verdammt, ich will nicht über Katis Tod reden. Nicht etwa, weil ich Angst vor diesen Bloomsdale-Typen hätte. Das glaubt auch dieser Journalist, dieser Klingbeil. Der hat mich wieder angerufen. Wollte noch mal mit mir sprechen. Ich hab ihm gesagt, er soll mich in Ruhe lassen. Damals hat er mir nicht geglaubt, und jetzt ist es zu spät.«
    Er rieb mit einer Hand über seine Augen. »Ich hätte Kati helfen müssen. Ich habe sie im Stich gelassen. Wenn ich es nur rückgängig machen könnte … Ich will nicht mehr daran denken. Es quält mich. Sosehr Sie mir auch leidtun, ich verkrafte das nicht. Gehen Sie bitte. Fahren Sie zurück.«
    Ich nahm meine Tasche von der Stuhllehne. Mein Körper fühlte sich taub an. Nur in meinem Kopf tobte es. Was nun? Ich war am Ende. Nur er konnte mir helfen. Aber er wollte es nicht. Tränen stürzten aus meinen Augen. Tränen der Wut. Ich ging zur Tür, hatte das Gefühl, keine Sekunde länger diese verbrauchte Luft atmen zu können.
    Hinter mir hörte ich ein Krachen. Ich fuhr herum. Vor Hunzicker auf dem Boden lag einer der Stühle, zertrümmert. Er hielt ein Stuhlbein in der Hand und

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